Weltliteratur: Robinson Crusoe gab es wirklich: Die Geschichte hinter der Romanfigur

Ab auf die Insel: Was heutzutage als Synonym für Entspannung gilt, war für Robinson Crusoe unfreiwillige Isolation. Der Held aus dem Roman von Daniel Defoe verbringt als Schiffbrüchiger 28 Jahre auf einer einsamen Insel. Tatsächlich hat Defoe die Vorlage für seinen Roman aus dem wahren Leben. Robinson Crusoe gab es wirklich

Im Alter von 59 Jahre schreibt Daniel Defoe die Geschichte über Robinson Crusoe auf – es ist sein erster Roman überhaupt. Das Leben der Romanfigur ist dabei fast so abenteuerlich wie das Leben des englischen Autors selbst. Denn bevor sich Daniel Defoe dem Schreiben seines berühmten Romans widmete hatte er bereits

  • mehrere Firmen gegründet und wieder verloren,
  • als Soldat gekämpft,
  • wegen seiner regierungs- und kirchenkritischen Schriften am Pranger gestanden,
  • im Gefängnis gesessen,
  • für England in Schottland spioniert,
  • und als wirtschaftpolitischer Journalist gearbeitet.

Als Schreibtalent hatte Daniel Defoe sich bereits vor der Veröffentlichung von „Robinson Crusoe“ im Jahr 1719 gezeigt. Wohl auch aufgrund seiner mehreren Firmenpleiten beschäftigt er sich von 1692 an mit den wirtschaftlichen und politischen Themen Englands, veröffentlicht satirische und regierungskritische  Gedichte. Zu der Zeit hieß er noch Daniel Foe. Das französische „De“ fügt der Autor erst später dazu – um aristokratisch zu klingen.

Alexander Selkirk diente Daniel Defoe als Vorlage für Robinson Crusoe

Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass der Seemann Alexander Selkirk die Vorlage für Robinson Crusoe ist und Daniel Defoe zu der Geschichte inspiriert hat. In der Realität dauerte das Abenteuer Selkirks zwar nicht 28 Jahre wie bei Robinson Crusoe, sondern nur vier Jahre und vier Monate.

Daniel Defoe, Autor von "Robinson Crusoe"
Daniel Defoe (1660-1731) veröffentlichte seinen Roman „Robinson Crusoe“ im Jahr 1719
© mauritius images / IanDagnall Computing / Alamy

Trotzdem hat die haarsträubende Geschichte des Seemanns, der auf einer Insel ausgesetzt wurde, die Grundlage für das weltbekannte literarische Werk von Defoe geliefert – und die Robinsoninsel gibt es wirklich.

Schiffbrüchiger lebt auf paradiesischer Insel

Allerdings wäre der Schotte Alexander Selkirk sicherlich froh gewesen, wenn seine einsame Insel so schön gewesen wäre, wie von Daniel Defoe im Roman beschrieben. Die Romanfigur Robinson Crusoe lebt praktisch im Paradies: Trauben, Datteln, Kakaobäume, Zitronen, Melonen, mildes tropisches Klima. Alles das hatte Alexander Selkirk nicht. Er wurde von Freibeutern auf einer schroffen Insel weit vor der chilenischen Küste ausgesetzt und am Ende von Freibeutern gerettet.

Wobei das Wort „Piraten“ hier fehl am Platz wäre. Selkirk gehörte im Jahr 1704 als Steuermann zur Mannschaft des Seglers „Cinque Ports“. Das englische Schiff machte mit staatlich genehmigtem Kaperbrief vor der südamerikanischen Küste Jagd auf spanische und französische Schiffe, um sie zu plündern. Sein Hinweis auf den wurmzerfressenen Holzrumpf und die nötige Reparatur jedoch wird nicht gut aufgenommen.

Der Kapitän setzt Alexander Selkirk kurzerhand auf der nächsten Insel aus und segelt weiter. So gesehen ein Glück für den Schotten. Die „Cinque Ports“ sinkt kurz darauf mit Mann und Maus vor der chilenischen Küste. Allerdings weiß nun niemand, dass es Alexander Selkirk noch gibt und er sitzt auf der einsamen Insel fest.

Der Seemann erlebt Abenteuer auf der einsamen Insel mit knappem Vorrat

Während Daniel Defoe seinen Romanhelden eine kleine Festung aus Stein bauen und ein Kreuz erreichten lässt, er Gerste anbaut und sich durch das Lesen der Bibel über die Zeit seiner langen Isolation rettet, ist das Inselleben von Alexander Selkirk alles andere als komfortabel. Er hat zwar tatsächlich eine Bibel, aber ansonsten sind die Vorräte des ausgesetzten Seemanns sehr begrenzt. Dazu gehören neben der Heiligen Schrift:

  • eine Matratze
  • eine Muskete und eine Pistole
  • etwas Schießpulver
  • eine Axt und ein Messer
  • seine Navigationsinstrumente
  • ein Kochtopf
  • zwei Pfund Tabak
  • etwas Käse und Marmelade
  • eine Flasche Rum

Auch hat er weder einen Papagei, mit dem er sprechen kann, noch kann er einen Insulaner aus den Händen von Kannibalen befreien: im Roman der neue Freund und Diener von Robinson Crusoe, den er nach dem Wochentag Freitag benennt. Alexander Selkirk spricht tatsächlich vier Jahre und vier Monate mit keiner Menschenseele, verfällt in Folge der Isolation in eine tiefe Depression, wird nachts von Ratten angefressen, muss rohe Ziegenfelle als Kleidung nutzen und verwildert zusehends.

Robinson Crusoe
Illustration einer Szene in der Geschichte „Robinson Crusoe“ (London, 1895)
© IMAGO / agefotostock

Als der ausgesetzte Seemann am 1. Februar 1709 von englischen Freibeutern am Strand erblickt wird, halten sie ihn für ein affenartiges Ungeheuer und wollen ihn erschießen. Der Irrtum klärt sich zum Glück für Alexander Selkirk auf und die Männer nehmen den völlig desolaten Seemann mit an Bord ihres Schiffes. Der Kapitän Woodes Rogers schreibt entsprechend in sein Logbuch: „Unsere Pinasse kehrte vom Ufer zurück, beladen mit Langusten und einem Mann in Ziegenfellen, der wilder aussah als die ursprünglichen Eigentümerinnen derselben.“

Geschichte von Selkirk wird Gesprächsthema Nummer Eins in London

Alexander Selkirk fährt noch zwei Jahre auf dem Freibeuterschiff durch die Welt. Gleichzeitig ahnt Daniel Defoe nicht, dass dies damit die Grundlage für seinen späteren Welterfolg auf dem Weg nach London ist. Am 14. Oktober 1711 trifft das Freibeuterschiff an der Themse ein. Am Ruder steht der Steuermann Alexander Selkirk. Sein Abenteuer auf der einsamen Insel wird schnell zum Gesprächsthema Nummer Eins in London.

Gut zwei Jahre später wird die Alexander Selkirks Geschichte von Richard Steele in der Zeitschrift „The Englischman“ veröffentlicht. Es wird angenommen, dass Daniel Defoe den Artikel gelesen hat und dadurch die Idee für seine Romanfigur Robinson Crusoe bekam. Gerüchteweise sollen sich Defoe und Selkirk auch getroffen haben – in einem Pub in Bristol. Wer sich auf historische Spurensuche begeben will, kann das tun. Das „Llangdoger Trow“ existiert heute noch in der Hafenstadt englischen Südwesten.

Robinson-Crusoe-Vorbild stirbt jung als Seemann

Tatsächlich ist Alexander Selkirk durch seine Geschichte am Ende reicher geworden als Daniel Defoe mit seinem Buch. Defoe hat gut 50 Pfund für seine Arbeit am Roman erhalten und eine geringe prozentuale Beteiligung an den weiteren Auflagen. Selkirk hingegen erhielt 800 Pfund aus dem Erlös der Kaperfahrt als Steuermann.

Ein langes Leben hingegen hatte er nicht. Das mutmaßliche Vorbild für Robinson Crusoe geht erneut als Seemann auf Fahrt und bekommt eine tropische Krankheit. Im Dezember 1721 wirft man ihn vor der afrikanischen Küste tot von Bord. Er wurde 45 Jahre alt.

Szene aus "Robinson Crusoe"
Illustration der Schiffsbruch-Szene in der Geschichte „Robinson Crusoe“ (London, 1895)
© IMAGO / agefotostock

Daniel Defoe schreibt noch verschiedene Romane – unter anderem „Glück und Unglück der berühmten Moll Flanders“, der in der Neuzeit mehrfach verfilmt wurde. Sein letztes Buch vollendet Defoe 1727. Er stirbt am 5. Mai 1731 und ist auf dem Londoner Friedhof Bunhill Fields begraben. Erst in jüngster Zeit wird das Ausmaß seiner publizistischen Arbeit – auch im Einsatz für die politische und religiöse Freiheit in England – erkannt. Mit Flugblättern, Gedichten, Artikeln und Büchern sind es gut 250 Werke.

Robinson-Crusoe-Insel liegt im Pazifik

Heutzutage hätte Robinson Crusoe auf seiner Insel eher ein Problem damit, Menschen aus dem Weg zu gehen. Aktuell leben auf dem zwölf Kilometer langen und drei Kilometer breiten Eiland gut 1000 Einwohner. Die Insel liegt gut 667 Kilometer von der chilenischen Hafenstadt Valparaíso entfernt und gehört zu den Juan-Fernandez-Inseln. Im Original heißt sie Isla Más a Tierra und wurde 1966 offiziell in Isla Robinson Crusoe umbenannt, um mehr Touristen anzulocken.

Davon kommen tatsächlich jedes Jahr einige Hundert, um sich die Insel anzusehen und das Robinson-Crusoe-Gefühl zu haben. Nur eines können sie im Vergleich zu Alexander Selkirk nicht mehr machen: Kleidung aus Ziegenfellen herstellen. Der Bestand wurde durch die Jagd so dezimiert, dass die Tiere heute unter Schutz stehen. Dafür gibt es mittlerweile aber reichlich eingeschleppte Kaninchen – geschätzt rund 100.000 Stück. Und ein Bekleidungsgeschäft.

Nachrichtenquelle: geo.de

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