Angst vor radioaktiver Strahlung: Weshalb Besorgte sich jetzt nicht mit Jodtabletten eindecken brauchen

Angesichts der russischen Angriffe in der Ukraine und infolge eines Brandes auf dem Gelände eines ukrainischen Atomkraftwerks sorgen sich viele Deutsche vor radioaktiver Strahlung und decken sich deshalb mit Jodtabletten ein. Doch das ist gar nicht nötig. Wir erklären, warum

Der Krieg in der Ukraine spitzt sich immer weiter zu. Viele Städte stehen unter Beschuss, russische Bodentruppen rücken ins Landesinnere vor und nach intensiven Gefechten haben russische Streitkräfte das größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja eingenommen.

In der Nacht von 3. auf den 4. März brach auf dem Gelände des Atommeilers Feuer aus, nach Behördenangaben waren die Reaktorblöcke jedoch nicht betroffen. Die Strahlungswerte seien unverändert, teilte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) unter Berufung auf die ukrainischen Aufsichtsbehörden mit.

Doch die neuesten Nachrichten aus der Ukraine und die Angst vor einer nuklearen Katastrophe haben in Deutschland einen Run auf Jodtabletten ausgelöst. In vielen Online-Apotheken sind diese mittlerweile ausverkauft, Bestellungen werden nicht mehr angenommen oder storniert. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) registriert eine klar gestiegene Nachfrage bei den Präparaten.

Proteste Interview

„Wir hören aus etlichen Apotheken, dass Kunden nach Jodtabletten zur Bevorratung fragen“, sagte Ursula Sellerberg, Sprecherin der Abda, der Deutschen Presse-Agentur. Sich in Deutschland nun mit Jod einzudecken, um sich vor einer vermeintlichen Belastung aus einem ukrainischen Atomkraftwerk zu schützen, sei aber „Panikmache“.

Jodblockade wirkt nur in der Schilddrüse

Hochdosierte Jodtabletten können verhindern, dass sich radioaktives Jod  (Jod-131), das infolge eines nuklearen Unfalls in die Umwelt gelangt, in der menschlichen Schilddrüse anreichert. Dies geschieht, indem hochdosiertes Jod in Tablettenform eingenommen wird, so dass die Schilddrüse mit dem nicht-radioaktiven Jod gesättigt ist und deshalb das radioaktive Jod nicht mehr eingelagert werden kann. Man spricht von einer so genannten „Jodblockade„.

Bei der Einnahme dieser hochdosierten Jodtabletten kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an: Werden die Jodtabletten zu früh eingenommen, wird das nicht-radioaktive Jod ausgeschieden, bevor es überhaupt gebraucht wird. Werden die Tabletten hingegen zu spät eingenommen, kann sich radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichern, bevor die Jodblockade funktioniert.

Wichtig zu beachten: Die Einnahme von Jodtabletten schützt nur die Schilddrüse. Jodtabletten schützen nicht vor radioaktiver Strahlung, die von außerhalb den Körper trifft oder vor anderen radioaktiven Stoffen, die in den Körper aufgenommen werden.

Selbstmedikation mit Jodtabletten birgt Risiken

Das Bundesamt für Strahlenschutz und die Apothekerkammer raten allerdings dringend davon ab, Jodtabletten selbstständig und ohne ärztliche Absprache einzunehmen. Eine Selbstmedikation berge erhebliche gesundheitliche Risiken und habe aktuell keinerlei Nutzen. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung könne es durch eine zu große Jod-Aufnahme im schlimmsten Fall zu einer Vergrößerung der Schilddrüse oder einer lebensbedrohlichen Entgleisung des Stoffwechsels kommen.

Insgesamt würden in Deutschland 189,5 Millionen Jodtabletten in den einzelnen Bundesländern vorgehalten, die im Falle eines Ereignisses, bei dem radioaktives Jod in der Luft zu erwarten ist, in den möglicherweise betroffenen Gebieten durch die Katstrophenschutzbehörden verteilt würden.

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Aktuell gebe es aber keinen Hinweis auf eine solche Situation. Das Bundesamt für Strahlenschutz betreibt deutschlandweit 1700 Messstationen, um die Radioaktivität in der Atmosphäre zu bestimmen und im Fall der Fälle rechtzeitig eingreifen zu können und die Bevölkerung zu informieren, wenn die Einnahme von Jodtabletten nötig werden sollte.

Jodtabletten aus der Apotheke zu niedrig dosiert

In diesem Fall wäre auch nur die Einnahme der vom Bund bereitgestellten Jodtabletten eine sinnvolle Maßnahme. Denn es ist wichtig, zwischen zwei Arten von Jodpräparaten zu unterscheiden: Auf der einen Seite gibt es hochdosierte Tabletten, die bei einer möglichen Havarie eines Atomkraftwerks eingenommen werden können. Auf der anderen Seite stehen die niedrigdosierten Tabletten mit etwa 100 oder 200 Mikrogramm Kaliumiodid, die beispielsweise langfristig bei Schilddrüsenstörungen eingenommen werden und die es in jeder Apotheke zu kaufen gibt.

Herkömmliche Jodtabletten aus der Apotheke sind viel zu niedrig dosiert, um im Falle eines Atomunglücks wirksam helfen zu können. Damit diese wirken könnten, müsste man theoretisch hunderte Tabletten auf einmal schlucken, was unrealistisch ist. Denn um den Effekt der oben beschriebenen Jodblockade zu erreichen, müsste man 130 Milligramm pro Tag einnehmen. Jodtabletten in der Apotheke zu kaufen oder in Online-Apotheken zu bestellen, um sich im Falle einer Atomkatastrophe zu schützen, macht aus diesen Gründen keinen Sinn.

Ein Land als Beute

Das Bundesumweltministerium rät besorgten Bürgerinnen und Bürgern, sich auf der Internetseite des Bundesamts für Strahlenschutz und auch über die Webseite jodblockade.de über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Beide Webseiten werden bei relevanten Entwicklungen aktualisiert.

Nachrichtenquelle: geo.de

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