Erderwärmung: Vögel helfen Pflanzen bei der Flucht vor dem Klimawandel – aber nur etwas

Um sich in kühlere Regionen ausbreiten können, sind Pflanzen auf die Hilfe von Beeren fressenden Vögeln angewiesen. Doch von diesem Mitnahmeeffekt profitieren weniger Arten als gedacht

Fünf Meter pro Jahr – das ist die mittlere Geschwindigkeit, mit der sich Tier- und Pflanzenarten rund um den Globus in Richtung der Pole bewegen. Oder bewegen müssen, denn sie reagieren mit ihrer Abwanderung in kühlere Regionen auf global steigende Temperaturen. Doch während viele Tiere mobil sind – Vögel überwinden mühelos Tausende Kilometer –, sind Pflanzen auf Fluchthelfer angewiesen. Zugvögel zum Beispiel.

Bislang ging die Forschung davon aus, dass Beeren fressende, wandernde Vögel diese Rolle übernehmen – indem sie die Samen während ihres Frühjahrszuges Richtung Norden über kühlerem Terrain ausscheiden. Doch von diesem Effekt profitieren nur wenige Pflanzen. Das konnte jetzt ein spanisch-deutsches Forscherteam in einer Studie zeigen.Schwalbenrettung

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen untersuchten in dreizehn Wäldern Nord-, Mittel- und Südeuropas, welche Vogelarten die fleischigen Früchte von Wald-Pflanzen fressen. Und mit welcher Geschwindigkeit sich diese Pflanzen ausbreiten können.

Weniger Fluchthelfer als gedacht

Das Ergebnis sei ernüchternd: Denn die Zugbewegungen der Vögel und die Reifezeit der Beeren passen nicht ideal zusammen. „Nur 35 Prozent der Pflanzenarten mit fleischigen Früchten werden von Zugvögeln gefressen, die auf der Rückkehr aus den Überwinterungsgebieten sind und danach nordwärts weiterfliegen“, sagt der an der Studie beteiligte Jörg Albrecht vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

Die meisten Vögel, die die Forscher beim Beerenschmaus beobachtet haben – 86 Prozent –, befanden sich aber auf dem Weg in den Süden, wo es vielen Pflanzen ohnehin zu warm wird.

Pech für den Roten Hartriegel (Cornus sanguinea): Da die Pflanze nur im Herbst Früchte trägt, in deren Inneren Samen stecken, kann sie die Mönchsgrasmücke (Sylvia Atricapilla), die dann auf dem Weg gen Süden ist, bestenfalls in wärmere Breiten verteilen
Pech für den Roten Hartriegel (Cornus sanguinea): Da die Pflanze nur im Herbst Früchte trägt, in deren Inneren Samen stecken, kann sie die Mönchsgrasmücke (Sylvia Atricapilla), die dann auf dem Weg gen Süden ist, bestenfalls in wärmere Breiten verteilen
© Luis Ojembarrena

Zudem profitieren offenbar nur wenige Pflanzenarten, darunter Efeu und Wacholder, von der Ausbreitung durch Zugvögel: weil sie im Frühjahr samenhaltige Beeren tragen, wenn die gefiederten Überwinterer sich in ihre Brutgebiete in Nordeuropa aufmachen.

Nur wenige Pflanzenarten profitieren vom Mitnahmeeffekt

Auf der anderen Seite sind es nur wenige Vogelarten, die als Fluchthelfer überhaupt in Frage kommen. Im Mittelmeerraum ist das die Mönchsgrasmücke, in den gemäßigten Breiten die Amsel.

„Zugvögel helfen tatsächlich Pflanzen mit dem Klimawandel Schritt zu halten, aber eben nur einer Minderheit und nur bestimmten Arten“, resümiert Jörg Albrecht in einer Pressemitteilung. Das hat Konsequenzen für den zukünftigen Wald in kühleren Regionen. „Dieser Filter wird die Bildung neuer Pflanzengemeinschaften in nördlichen Gebieten stark beeinflussen“, sagt Albrecht. Die geringere Artenvielfalt könne die Produktivität des neuen Waldes schwächen.

Der artenreiche, naturnahe Wald wird wohl lange brauchen, um sich auf natürlichem Weg kühleres Neuland zu erobern.

Nachrichtenquelle: geo.de

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