Klimaschutz: Der seltsame Optimismus mancher Klimaforscher

Kaum jemand hat das Klimaproblem so gut durchdacht wie die Klimaforscher Mojib Latif und Klaus Hasselmann. Trotzdem versprühen sie einen rätselhaften Optimismus. Brauchen wir den?

Es gibt Arten von Optimismus, die muss man erst mal hinkriegen. Seltsamerweise findet man sie ausgerechnet bei Klimaforschern, die allen Grund hätten, nicht optimistisch zu sein.

Neulich malte Mojib Latif, einer der prominentesten Klima-Forscher und -Aufklärer, in einem Vortrag vor dem Hamburger Grundeigentümerverband ein düsteres Bild der Zukunft. Etwa eine Viertelstunde lang pinselte er ausschließlich abgestufte Schwarztöne: Die düsteren Prognosen zu den „Grenzen des Wachstums“ – so der Titel des 50 Jahre alten, ersten Berichts des Club of Rome – hätten sich bewahrheitet. Das 1,5 Grad-Limit des Pariser Klimavertrages habe er, Latif, schon 2015 für unerreichbar gehalten. Das Zwei-Grad-Limit (das der US-Klimaforscher James Hansen ein „Rezept für eine Katastrophe“ nannte) kassierte er gleich mit.

Seine Rede beendet Latif dann allerdings mit dem Bekenntnis, er bleibe optimistisch.

Da mag sich der eine oder die andere gefragt haben, worauf der Klimaforscher seinen Optimismus eigentlich gründet. Darum beeilte sich Latif, anzufügen: Mit der deutschen Wiedervereinigung habe auch niemand gerechnet. Oder dass das Smartphone mal so ein Erfolg werden würde.

Nun ist es zwar richtig, dass immer wieder Dinge passieren, mit denen niemand gerechnet hat. Allerdings müsste Latif wissen, dass das Klimaproblem um Größenordnungen komplexer und facettenreicher ist als die Einführung einer beliebigen technologischen Innovation oder eine friedliche Revolution.

Wie dagegen die „kulturelle Revolution“ vonstatten gehen soll, die Latif ganz richtig einforderte, das ließ der Klimaexperte im Dunkeln. Genau das ist aber die Frage, die sich gerade eine ganze Generation stellt. Eine Generation, die zu großen Teilen resigniert und zu einem sehr kleinen Teil provoziert oder über Rechtsbruch als Notwehr diskutiert.

Ähnlich sorglos wie Latif gibt sich dessen Doktorvater, Klaus Hasselmann, soeben für seine Pionierarbeit zum Klimawandel mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Im ZEIT-Interview erklärt er auf Luisa Neubauers Frage, wie er optimistisch sein könne: „Wir müssen doch nur von fossilen auf regenerative Energien umsteigen.“ Technisch sei das leicht.

Müsste man, stimmt. Und was ist mit den Folgen des Versäumnisses, die sich heute schon abzeichnen? Neubauers verzweifelten Hinweis, dass ganze Weltgegenden unbewohnbar werden, quittiert Hasselmann mit der Auskunft: „Natürlich werden viele Länder in der Zukunft anders aussehen.“ Aber wieso solle man sich an Veränderungen nicht anpassen?

Ist das noch Optimismus oder schon Verdrängung?

Man muss beim Klimawandel über den Tellerrand von Molekülen und Kurven hinausdenken. In „Don’t even think about it“, einem der bis heute besten Bücher über die Psychologie der Klimakrise, schreibt der britische Aktivist und Autor George Marschall über ein Treffen mit einem anderen Nobelpreisträger. Er fragt den Psychologen Daniel Kahneman – sein Buch „Thinking, fast and slow“, zu deutsch „Schnelles Denken, langsames Denken“ wurde ein Weltbestseller – über ein Mittagessen nach seiner Sicht der Dinge.

Warum Nobelpreisträger Daniel Kahneman kein Optimist ist

Kahneman zählt zwischen ein paar Löffeln Tomatensuppe drei Gründe auf, die es den meisten Menschen schwer bis unmöglich machen, auf die Klimakrise angemessen zu reagieren:

Zum einen stellt der Klimawandel keine unmittelbare Bedrohung da, wie etwa ein heranrasendes Auto. Zweitens erfordert der Klimaschutz, dass wir in der Gegenwart Kosten aufbringen und auf Lebensstandard verzichten müssen – um zweifellos höhere, aber kaum zu kalkulierende Kosten und Verluste in einer ungewissen Zukunft zu vermeiden. Eine Kombination, so Kahneman, die für uns besonders schwer zu akzeptieren ist. Drittens erscheine vielen die Information über den Klimawandel als unsicher und strittig. Selbst wenn die National Academy auf der einen und „ein paar Spinner“ auf der anderen Seite stünden.

Keine Aufklärung über den Klimawandel und über psychologische Barrieren, so fügt Kahnemann noch hinzu, könne die Menschen dazu bewegen, freiwillig ihren Lebensstandard zu senken.

Das Gespräch endet mit einer Entschuldigung. „Ich bin durch und durch pessimistisch“, sagt der Nobelpreisträger. Und weil Pessimismus keinen guten Ruf hat, fügt er noch hinzu: „Es tut mir Leid“.Grüner Bereich

Und nun?, werden Sie fragen. Soll das vielleicht die Lösung sein? Nein, aber Kahnemans wissenschaftlich fundierte Bedenken sind ein weiterer Hinweis, dass das Klimaproblem wahrscheinlich nicht mit ein paar Hacks, Innovationen, Investitionen, Klimakonferenzen und viel Optimismus zu lösen ist. Schlimmer noch: Vielleicht ist es, was Forscher*innen ein „wicked problem“ nennen: ein Problem, das sich einer Lösung hartnäckig widersetzt.

Wäre das ein Grund, zu resignieren? Nein. Denn der Protest gegen Missstände sollte nicht von der Wahrscheinlichkeit ihrer Beseitigung abhängig gemacht werden. Apropos: Am 23. September ist wieder Klimastreik.

Nachrichtenquelle: geo.de

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