Tierverhalten: Wal-Unfall in Mexiko: Wird Whalewatching zum Problem?
Kürzlich landete ein springender Buckelwal vor der Küste Mexikos auf einem Whalewatching-Boot, alle an Bord wurden verletzt. Wal-Experte Fabian Ritter erklärt, was dahinterstecken könnte. Und worauf Touristen achten sollten, wenn sie Wale beobachten wollen
GEO.de: Neulich landete vor der Küste Mexikos ein Buckelwal auf einem Whalewatching-Boot, es gab Verletzte. Was war da los?
Fabian Ritter: Das wenige Videomaterial, das wir haben, zeigt nur den Sprung und den Aufprall, aber nicht den Kontext. Um einschätzen zu können, was der Wal im Schilde geführt haben mag, oder ob es ein Versehen war, bräuchte man Informationen über die Minuten davor – und darüber, wie der Walbeobachtungstourismus in dem Gebiet generell abläuft.
Denkbar wäre, dass die Wale seit Tagen oder Wochen ständig Boote um sich herum hatten und dadurch genervt waren. Wenn das konkrete Boot noch zu schnell zu nah rangefahren sein sollte, dann ist es immerhin vorstellbar, dass ein Wal so etwas macht. Es bleibt aber in jedem Fall eine große Ausnahme. Es könnte ebenso gut das Versehen eines jungen, unerfahrenen Wals gewesen sein. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass es sich bei dem Sprung um ein Signal handelte, in der Art von “Lasst mich in Ruhe!”. Und dabei hätte das Tier sich dann verschätzt.
Ein Wal würde wohl kaum bewusst ein Verletzungsrisiko eingehen …
Deshalb würde ich ein bewusstes, gezieltes Angriffsverhalten fast ausschließen. Es wäre auch für Buckelwale nicht typisch. Was ich auf dem Video erkenne: Nachdem der Wal vom Boot ins Wasser zurückfällt, schlägt er heftig um sich. Das deutet darauf hin, dass der Wal in diesem Moment entweder erschrocken ist oder einen heftigen Schmerz verspürt.
Whalewatching gilt als sanfte Alternative zur Waljagd, und boomt auch in Ländern, in denen traditionell Wale gejagt wurden. Wird es für die Tiere nun seinerseits zum Problem?
Als Alternative zum Walfang ist Whalewatching im Prinzip eine gute Sache. Wenn man einen Buckelwal aus sicherer Distanz springen sieht, ist das ein Erlebnis, das man nicht wieder vergisst. Wenn man mit anderen zusammen Delfine beobachtet, ist das, als ob man einen Schalter umlegt: Alle an Bord haben plötzlich gute Laune. Aber es kommt darauf an, wie man es macht.
Whalewatching ist weltweit ein milliardenschweres Geschäft geworden. Wo es nicht gut reguliert ist oder die Regeln nicht eingehalten werden, und das ist inzwischen eher die Regel als die Ausnahme, gibt es oft zu viele Anbieter und zu viele Boote. Oft ist der Umgang mit den Walen wenig rücksichtsvoll. Es gibt Dutzende Studien darüber, wie sich Whalewatching auf das Verhalten der Wale auswirkt. In der Regel wird das Schlaf- und Fressverhalten reduziert. Das Wander- beziehungsweise Ausweichverhalten nimmt dagegen statistisch zu. Stress durch Boote und Unterwasserlärm kann Wale krank machen, das ist bei ihnen genauso wie bei uns Menschen.
Wie sieht denn verantwortliches Whalewatching aus?
Wale sind soziale, komplex organisierte und leidensfähige Wesen. Sie sind intelligent und haben Kultur, sind uns daher viel ähnlicher, als wir lange dachten. Man sollte ihnen also den größtmöglichen Respekt zollen. Das heißt: langsam heranfahren, Mindestabstände einhalten, die Tiere beobachten und sie selbst entscheiden lassen, ob sie näherkommen wollen oder nicht. Veranstalter sollten Informationen über die Tiere und ihre Bedrohung liefern, vor der Tour, an Bord und hinterher. Im besten Fall dokumentieren die Anbieter auch für die Forschung, wann und wo sie welche Tiere gesehen haben. Wenn solche Kriterien eingehalten werden, ist Walbeobachtung unserer Meinung zu befürworten. Von Land aus stört die Beobachtung der Tiere übrigens am allerwenigsten.
Woran erkenne ich denn einen tierfreundlichen Anbieter von Touren?
Setzen Sie Ihren kritischen Verstand ein, sehen Sie sich das Infomaterial des Anbieters an, fragen Sie am Schalter, ob es eine Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen oder Umwelt- und Walschutzorganisationen gibt. Vor allem sollte der Anbieter lizensiert sein – sofern Lizenzen im betreffenden Gebiet überhaupt vergeben werden. Es gibt an zahllosen Orten neben den lizensierten auch illegale Anbieter , von denen ich die Finger lassen würde. Auch wenn es, wie zum Beispiel auf Teneriffa, an Bord eine Piratenshow und Sangria umsonst gibt oder eine Band spielt, hat das mit einer naturkundlich geführten Exkursion nichts zu tun. Das ist Spektakel und Spaß auf dem Rücken der Wale – buchstäblich.
Fabian Ritter ist Policy manager bei der Whale and Dolphin Conservation (WDC). Die Organisation hat einen (kostenpflichtigen) Ratgeber zum nachhaltigen Whalewatching herausgegeben: whales.org/wdc-shop/walbeobachtungs-paket
Nachrichtenquelle: geo.de
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