Gestüt in Thüringen: Schwangere Pferde bluten auch in Deutschland für die Pharmaindustrie

Nicht nur auf Island, auch in Deutschland wird schwangeren Pferden literweise Blut abgenommen. Das Hormon PMSG wird in der industriellen Schweineproduktion eingesetzt

Erst vor Kurzem schockierten Enthüllungenüber die isländische Pferdezucht Tierschützer*innen und Pferdeliebhaber*innen. Recherchen der Animal Welfare Foundation hatten ergeben, dass auf Island jedes Jahr Tausenden schwangeren Stuten literweise Blut abgezapft wird, um es an die Pharmaindustrie zu verkaufen. Das Hormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) wird in der industriellen Schweinezucht eingesetzt, um die Trächtigkeit der Sauen zu erhöhen und besser planen zu können.

Auch in Deutschland wird Pferdeblut für die Pharmaindustrie gezapft

Doch auch in Deutschland gibt es mindestens eine solche „Pferdeblutfarm“. Darauf weist nun der Deutsche Tierschutzbund hin. Demnach wird auf dem Gestüt Meura in Thüringen schon seit Jahren schwangeren Stuten Blut abgezapft. Das belegen Recherchen des MDR und zwei Rechtsgutachten. In einem Gutachten aus dem März 2021 schrieb der Jurist Markus Ogorek von der Universität Köln, es handle sich bei den „großvolumigen Blutentnahmen“ um genehmigungspflichtige Tierversuche, die gar nicht genehmigt werden könnten. Sie seien nämlich weder unerlässlich noch ethisch vertretbar – und damit rechtswidrig.

Darauf angesprochen, verwies das zuständige Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie auf das Landesamt für Verbraucherschutz. Dort wurde den Tierschützer*innen allerdings die Akteneinsicht verwehrt. Das Gestüt hatte dagegen Einspruch erhoben – mit dem Hinweis, es handle sich um „Betriebsgeheimnisse“. Das Gestüt Meura schreibt auf seiner eigenen Homepage: „Unter Einhaltung strenger Tierwohl- und Hygienebedingungen“ würden Stuten bis zum 100. Trächtigkeitstag „maximal viermal pro Woche zwei Liter Plasma“ abgenommen.

„In Meura entnimmt man offenbar seit über 30 Jahren rechtswidrig das Blut trächtiger Stuten, um daraus Gewinn zu schlagen“, kommentiert Dr. Esther Müller, Geschäftsführerin Wissenschaft beim Deutschen Tierschutzbund. „Und die Behörden lassen das Ganze bis heute laufen.“ Immerhin hat sich das Landesamt für Verbraucherschutz inzwischen der Einschätzung der beiden Rechtsgutachten angeschlossen, dass es sich um Tierversuche handelt. Allerdings nicht um genehmigungs- sondern nur um „anzeigepflichtige“. Eine Beschwerde der Animal Welfare Foundation gegen das Landesamt liegt seit August 2021 beim Oberverwaltungsgericht Thüringen.

Den betroffenen Pferden dürfte dieser Unterschied egal sein. „Die Tiere leiden unter dem erheblichen Blutverlust“, sagt Müller. Es könne bei der Entnahme auch zu einem Volumenmangelschock kommen. Zudem könnten die regelmäßigen Einstiche zu schmerzhaften Entzündungen und Thrombosen führen.

Lukrative Pferdemisshandlung auf Island

Recherchen der Animal Welfare Foundation und vom Tierschutzbund Zürich in Island hatten gezeigt, dass die Tiere bei der Fixierung Misshandlungen durch Mitarbeiter*innen ausgesetzt sind, dass sie bei der Blutentnahme Schmerzen leiden und extrem gestresst sind. Nach Einschätzung eines isländischen Juristen wird auf den Pferdeblutfarmen regelmäßig gegen isländisches Tierschutzrecht verstoßen.

Auf 2021 heimlich gemachten Aufnahmen ist die Kanüle deutlich zu erkennen, mit der den Islandpferden Blut abgezapft wird
Auf 2021 heimlich gemachten Aufnahmen ist die Kanüle deutlich zu erkennen, mit der den Islandpferden Blut abgezapft wird
© Animal Welfare Foundation

Das Geschäft mit dem Blut schwangerer Stuten ist für isländische Pferdezüchter lukrativ. Den Recherchen der Tierschützer zufolge werden auf rund 100 „Blutfarmen“ etwa 5000 schwangere Pferde „entblutet“. Dabei werden den Tieren im Spätsommer einmal pro Woche rund fünf Liter Blut abgezapft, bis zu zehn Wochen lang. Während ein Fohlen nur rund 100 Euro einbringt, lassen sich mit dem Blut seiner Mutter 430 Euro erzielen.

Die wichtigsten Herkunftsländer des Hormons PMSG für den deutschen Markt sind Island, Argentinien und Uruguay. Und die Nachfrage steigt offenbar. Waren es in den Jahren von 2013 bis 2016 rund 3,8 Millionen Einzeldosen, so erhöhte sich die Zahl nach Recherchen des MDR zwischen 2016 und 2019 auf etwa 6,4 Millionen. Wegen der fortgesetzten Tierschutz-Verstöße hatte das EU-Parlament im Oktober 2021 die EU-Kommission aufgefordert, ein EU-weites Produktions- und Importverbot zu beschließen. Bislang vergeblich.

Nachrichtenquelle: geo.de

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