Denker der ersten Stunde: Sokrates: Wer war der berühmte Philosoph?

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – dieser Satz des griechischen Philosophen Sokrates steht für die Grundsätze der heutigen Philosophie. Tatsächlich gilt der Sohn eines Steinmetzes und einer Amme als geistiger Vater der Philosophie im Abendland – und wurde doch im vorchristlichen Athen als geistiger Brandstifter angeklagt und zum Tode verurteilt

Dass überhaupt ein Gedanke von Sokrates heute noch existiert, ist seinem Schüler Platon zu verdanken. Dieser hielt nach dem Tod von Sokrates im Jahr 399 v. Chr. die Leitsätze und Inhalte des Philosophen für die Nachwelt in zwei Büchern fest. Schließlich hat Sokrates zeitlebens seine Philosophie selber in Reinform gelebt. Statt schriftlich festgehaltener Protokolle, gab es lebendig geführte Diskussionen und mündlichen Austausch.

Wissen über das Leben von Sokrates nicht vollständig

Das Ziel: Im Dialog den Dingen auf den Grund zu gehen, Allgemeinheiten zu hinterfragen, Verhalten und Strukturen in Frage zu stellen, bis sie auf ihre Basis und damit ihre wirklichen Beweggründe reduziert waren.

Wenn auch das Geburtsjahr von Sokrates nicht genau bekannt ist – angenommen wird 469 vor Christus in Athen – lässt sich sein Leben durch unterschiedliche Quellen und vor allem seinen Militärdienst im Peloponnesischen Krieg gut nachvollziehen. Bei verschiedenen Belagerungen und Schlachten hat Sokrates nachweislich in den Jahren von 431 bis 422 v. Chr. als freiwilliger Soldat teilgenommen.

Sophisten haben Sokrates unterrichtet

Die Basis für sein eigenes Weltbild, das Verständnis von Zusammenhängen und sein späteres Lehrmodell hat Sokrates Historikern zufolge von unterschiedlichen Lehrenden erhalten, die den Philosophen prägten – darunter

  • der Naturphilosoph Anaxagora
  • Aspasia, die Frau des attischen Führers Perikles
  • Diotima, eine Seherin, deren Existenz jedoch nicht belegt ist
  • der Sophist Prodikos

Sophisten wurden diejenigen genannt, die als eine Art bezahlte Wanderlehrer ihr Wissen im Land verbreiteten und sich mit Kenntnissen der Mathematik, Didaktik und Rhetorik ihren Lebensunterhalt verdienten. Zu diesen „wissenden und weisen Männern“ zählen später auch heute bekannte Namen wie Pythagoras oder Thales.

Sokrates erschuf eine neue Art der Philosophie

Sophisten waren auch die ersten Denker in der Antike, die den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt haben – vornehmlich aber mit dem Ziel eines erfolgreichen Lebens. Sokrates hingegen nimmt unter den Sophisten eine Sonderstellung ein, weil er mit der neuartigen Art seines Philosophierens eine Art geisteswissenschaftliche Wende einleitete. Er forschte nach dem moralisch richtigen Leben und begründete damit auch die Ethik.

Für Sokrates ging es hauptsächlich darum, in der Nachfrage und im Dialog mit anderen Menschen den Gründen und der Herkunft von Glaube, Werten, Weltanschauung und auch politischen Anschauungen auf den Grund zu gehen, dem ursprünglichen Wesen einer Sache.

"Die Schule von Athen", Fresko des Malers Raffael
„Die Schule von Athen“, Fresko des Malers Raffael, das dieser von 1510 bis 1511 in der Stanza della Segnatura des Vatikans für Papst Julius II. anfertigte

Sokrates versuchte nicht, andere Menschen von seiner Meinung zu überzeugen, sondern durch Erfragen deren Meinung und Wissen zu lernen und zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Dieses Frage- und Antwortspiel nannte er Maieutik  – ein ergebnisoffener Forschungsprozess – und bezeichnete es selbst als eine Art geistige Geburtshilfe. Den Namen lehnte Sokrates dementsprechend an den Beruf seiner Mutter an. Sie war eine „Maia“, eine Hebamme.

Markt in Athen als Ort für Philosophen

Als perfekten Ort für sein Wirken und Schaffen hatte Sokrates den belebten Markplatz von Athen ausgewählt. Xenophon, einer seiner Schüler und späterer Schriftsteller, Politiker und Feldherr, schreibt in einem seiner Werke: „…am frühen Morgen ging er nämlich nach den Säulenhallen und Turnschulen und wenn der Markt sich füllte, dann war er dort zu sehen und auch den Rest des Tages war er immer dort, wo er mit den meisten Menschen zusammen sein konnte.  Und er sprach meistens, und wer nur wollte, dem stand es frei, zuzuhören.“

Sokrates‘ Vater Sophroniskos hatte Besitz bei Athen

Offen ist die Frage, wie Sokrates zu dieser Zeit seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Denn von seinen Zuhörenden oder Schülern hat er laut Xenophon niemals offiziell irgendeine Entlohnung bekommen oder gefordert. Fest steht, dass der Philosoph das kleine Besitztum seines Vaters und Bildhauers Sophroniskos in der Gemeinde Alopeke geerbt hatte.

Der Landstrich lag gut zwei Kilometer vor der alten Ringmauer Athens. Hier hatte auch der wohlhabende Philosoph Kriton seinen Besitz. Er war einer der Gönner, Schüler und Unterstützter von Sokrates.

Weiterentwicklung der Menschen durch Selbsterkenntnis

Das Ansinnen von Sokrates war es, Werte wie Selbsterkenntnis oder Tugend mit nachvollziehbaren und grundlegenden Inhalten zu füllen. Sich selbst immer wieder in Frage zu stellen, um einen geistigen Reife- und Entwicklungsprozess zu durchlaufen, war dabei ein wesentlicher Antrieb.

Diese Weiterentwicklung sollte dann laut Sokrates auch dazu eingesetzt werden, die Welt und den Umgang mit anderen Menschen zu verbessern. „Fehlgriffe gegenüber anderen Personen sind meist auf die Über- und oder Unterschätzung der eigenen Person zurückzuführen“, so Sokrates.

Eine daraus resultierende Demut allem und jedem inklusive der eigenen Person gegenüber, spiegelt sich auch in der Demut gegenüber der Natur im Denken und der Lehre von Sokrates wieder – sogar im Konsum: „Wir essen, um zu leben und leben nicht, um zu essen.“ Oder „Je weniger einer braucht, desto mehr nähert er sich den Göttern, die gar nichts brauchen.“

Wagenrennen

Dementsprechend ist die Entwicklung des Geistes ein wesentliches Anliegen von Sokrates und damit einhergehend auch die Entwicklung von Gesellschaft und Politik auf einer reflektierten Ebene, deren Basis die absolute Selbstreflexion ausgelöst durch das Erkennen der Anderen im Dialog der Philosophie ist – als Teil der Wahrheit, der Tugend und der Selbsterkenntnis. Alle drei Punkte sind für Sokrates eine Frage des Wissens und Erkennens.

Die Vielzahl seiner Gedanken und Zitate ist dementsprechend groß und hat seit Jahrtausenden eine immer wiederkehrende Bedeutung – wie zum Beispiel:

  • Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.
  • Das gute Gelingen ist zwar nichts Kleines, fängt aber mit Kleinigkeiten an.
  • Sei, was Du scheinen willst.
  • Rede, damit ich Dich sehe.
  • Zur Unterscheidung zwischen Gutem und Schlechtem bedarf der Verständige keines anderen Menschen.
  • Genügsamkeit ist natürlicher Reichtum, Luxus künstliche Armut.
  • Heirate auf jeden Fall! Wenn Du eine gute Frau bekommst, wirst Du glücklich. Wenn Du eine schlechte Frau bekommst, wirst Du Philosoph.
  • Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

Athen Demokratie

Im Jahr 399 v. Chr. wird der 70-jährige Sokrates in Athen angeklagt. Der Vorwurf: Frevel gegen die Götter und das Verderben der Jugend durch seine Reden. Sokrates wird im ersten Prozessdurchlauf mit knapper Stimmenmehrheit für schuldig befunden und soll den Tod finden. Nach damaliger Rechtsprechung darf er aber auch einen eigenen Vorschlag für seine Strafe machen.

Sokrates ist sich keiner Schuld bewusst, sondern sieht sich eher als Wohltäter der Gesellschaft. Er schlägt dementsprechend für sich eine üppige Speisung vor, wie sie Olympiasieger bekommen – oder höchstens eine Geldstrafe. Im zweiten Durchgang der Verhandlung wird die Todesstrafe bestätigt. Dieses Mal mit deutlich mehr Stimmen.

Schierlingsbecher führt zum Tode durch Lähmung

Vollzogen werden soll der Tod durch den Schierlingsbecher. In der Antike wurden die kleingestampften Früchte des giftigen Gefleckten Schierlings als Pulver in ein Trinkgefäß mit Wasser gegeben. Das Gift verursacht Lähmungserscheinungen, die letztendlich zum Aussetzen der Atmung und zum Ersticken führen. Sokrates nimmt das Urteil an und lehnt auch das Angebot seiner Schüler und Anhänger ab, ihn aus dem Gefängnis zu befreien.

"Tod des Sokrates", Öl auf Leinwand, von Jacques-Louis David
„Tod des Sokrates“, Öl auf Leinwand, von Jacques-Louis David (1748–1825)
© jorisvo – Adobe Stock

Der Philosoph lebt sein Gedankengut bis in den Tod. Er vertritt im Sinne der Selbsterkenntnis und Tugend die Meinung, dass es weniger schlimm ist, Unrecht zu erleiden als ein Unrecht zu begehen. In seinen Augen sind die Aggressoren zu bemitleiden und nicht das Opfer – in dem Fall er.

Im Sinne der Gerechtigkeit nicht mehr die Wahrheit sagen zu dürfen und nicht mehr wahrhaftig leben zu können, ist für den Philosophen undenkbar und steht im kompletten Gegensatz zu seiner Lebenseinstellung und allen Erkenntnissen, die Sokrates in seiner Lehre gewonnen hat.

Sokrates philosophiert vor Gericht über den Tod

Dazu gehört auch der Umgang mit dem Tod. Sokrates letzte Rede in der Gerichtsverhandlung zitiert Platon in seinen Büchern mit den Worten: „Eines von beiden ist doch das Totsein: Entweder ist es ein Nichts-Sein und keinerlei Empfindung haben wir nach dem Tode…oder ein Schlaf, wie wenn einer schläft und kein Traumbild sieht, dann wäre der Tod ein wundervoller Gewinn, denn dann erscheint die Ewigkeit um Nichts länger als eine Nacht.“

Bereits lange vor seiner Anklage und dem Todesurteil hatte Sokrates formuliert: „Niemand kennt den Tod, es weiß auch keiner, ob er nicht das größte Geschenk für den Menschen ist. Dennoch wird er gefürchtet, als wäre es gewiss, dass er das schlimmste aller Übel sei.“ Am 27. Juli 399 vor Christus trinkt der große griechische Philosoph den Schierlingsbecher und stirbt.

Nachrichtenquelle: geo.de

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