Energiewende: Streit in der EU: Sind Atomstrom und Gas "nachhaltig"?

Die EU-Kommission will Kernenergie und Erdgas als „nachhaltig“ labeln. Das könnte die Energiewende bremsen und das Ziel der Klimaneutralität gefährden, warnen Kritiker

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihr Geld „grün“ anlegen. Zukunftsorientiert, verantwortungsvoll, nachhaltig und klimafreundlich soll die Anlage sein. Und dann finanzieren Sie Atomkraftwerke in der EU. Oder Gaskraftwerke.

Geht es nach der EU-Kommission, könnten private, aber auch öffentliche Geldgeber schon bald in diese Situation geraten.

Geplant ist nämlich, Atomenergie und fossiles Erdgas in der sogenannten EU-Taxonomie als „nachhaltig“ einzustufen. In dieser EU-Verordnung ist geregelt, welche Technologien als nachhaltige Investitionen im Sinne des europäischen „Green Deal“ gelten. Investitionen also, die helfen sollen, das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen.

Für Emanuel Macron ist das Wind in den Segeln. Der französische Präsident wirbt leidenschaftlich für die Atomkraft, neun weitere EU-Ländern setzen ebenfalls auf Kernenergie. Und das nun auch mit dem Segen der EU-Kommission. Erst kürzlich hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Vorstoß zur Aufnahme in die EU-Taxonomie angekündigt.Streitgespräch Atomkraft_Fassung gemäß GeoPrint

Nicht nur private Anleger, auch Banken und Versicherungen könnten dann in „nachhaltige“ Atom-und Gaskraftwerke investieren. Fördergelder, EU- und nationale Beihilfen, aber auch Steuergelder würden fließen – in die falsche Richtung, wie Kritiker jetzt warnen.

Kritiker warnen vor „Kursänderung“ auf dem Weg zur Klimaneutralität

Politiker aus acht Nationen mahnen in einer gemeinsamen Erklärung, Atom und Gas seien „ökologisch nicht nachhaltig“. Ein solcher Schritt könne zur „ersten klaren Kursänderung auf Europas Weg zur Klimaneutralität“ werden. In Deutschland, das sich zu Hause zwar für den Atom-Ausstieg entschieden, auf EU-Ebene aber weniger klar positioniert hat, forderten nun 129 Umweltorganisationen den Noch-Finanzminister und zukünftigen Kanzler Olaf Scholz in einem offenen Brief auf, „entschieden“ gegen das Vorhaben Stellung zu beziehen.

Zu den Unterzeichnern gehören neben dem BUND und dem Nabu auch Greenpeace, Friends of the Earth Europe, Climate Action Network Europe und das Europäische Umweltbüro. Dem Schreiben zufolge hat die Kommission die Zeit der Regierungsbildung in Deutschland genutzt, um den Taxonomie-Vorschlag im Sinne der Atomkraft-Befürworter voranzutreiben.

Atomkraft ist einer neuen Studie zufolge nicht nur teurer als oft behauptet: Sie bringt weiterhin große Sicherheitsrisiken und ein ungeklärtes Abfallproblem mit sich. Bei der Erdgasproduktion entweichen zudem kritische Mengen von extrem klimaschädlichem Methan, bei der Verbrennung wird Kohlendioxid freigesetzt. Beides mit einem Nachhaltigkeits-Label zu versehen, würde dringend für die Energiewende benötigte Investitionen blockieren und die EU-Klimaziele unterminieren.

Nachrichtenquelle: geo.de

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