Kampf gegen Corona: Medikamente gegen Covid-19: Der aktuelle Forschungsstand im Überblick

Weltweit läuft die Forschung an Medikamenten, mit denen sich eine Covid-19-Erkrankung behandeln lässt, auf Hochtouren. Während es mittlerweile mehrere Impfstoffe gegen das Virus gibt, sind Arzneimittel noch Mangelware. Ein Überblick, an welchen Corona-Medikamenten aktuell geforscht wird

Die vierte Corona-Welle rollt über Deutschland hinweg. Während im Rekordtempo gleich mehrere Impfstoffe zugelassen wurden, fehlt es Ärzten noch immer an wirksamen Medikamenten zur Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten – trotz weltweit mit Milliardensummen unterstützter Forschung an Arzneimitteln gegen Corona.

Die Suche nach hochwirksamen Wirkstoffen, die möglichst früh nach einer Infektion eingesetzt werden können, um die Virusvermehrung und die Weitergabe der Erreger zu stoppen, beschäftigt Forschende auf der ganzen Welt. Arzneimittel gegen schwere Verläufe gelten als weiterer Baustein in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Damit könnten zum Beispiel auch Menschen geschützt werden, die bisher keine Impfung erhalten haben oder konnten.

Ein Medikament für alle gegen Covid-19 fehlt weiterhin

Ein für alle Patientinnen und Patienten zugelassenes Mittel, das speziell das Coronavirus bekämpft, fehlt jedoch weiterhin. Ärzte greifen stattdessen zu erprobten Arzneien, die je nach Verlauf einer Covid-19-Erkrankung bei bestimmten Komplikationen schützen. Oft bekommen Erkrankte im Krankenhaus etwa Blutverdünner – denn Covid-19 erhöht die Gefahr von Thrombosen, Infarkten und Schlaganfällen. Zudem sollen Antibiotika gegen zusätzlich auftretende bakterielle Infektionen schützen.

Als bisher einziges antivirales Corona-Medikament ist in der EU das Mittel Remdesivir zugelassen. Zuletzt meldeten aber mehrere Unternehmen positive Studienergebnisse, darunter Pfizer mit seiner CoronaPille  Paxlovid und Regeneron mit einem Antikörper-Cocktail. Die britische Arzneimittelbehörde MHRA ließ kürzlich die Tablette Lagevrio (auch bekannt unter dem Namen Molnupiravir) zu.

Remdesivir

Im Juli 2020 hat Remdesivir (Handelsname Veklury) des US-Konzerns Gilead eine Zulassung in der EU erhalten – aber nur für Corona-Patienten mit Lungenentzündung, die zusätzlich Sauerstoff erhalten, aber noch keine invasive Beatmung benötigen. Das ursprünglich gegen Ebola entwickelte Medikament soll verhindern, dass sich Sars-CoV-2 in den Zellen vermehrt.

Viren: Die leblosenWesen

Doch mittlerweile spricht sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen eine Behandlung aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen sieht Mitte September nur einen geringen Nutzen von Remdesivir bei moderat und gar keinen bei schwerer Erkrankten.

Dexamethason

Dexamethason wird in Deutschland schon länger auch ohne generelle offizielle EU-Zulassung als Arznei gegen Covid bei der stationären Corona-Therapie eingesetzt. Der Molekularbiologe Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Centrum nennt es ein „zentrales Medikament für die Behandlung von Covid-19“. Das entzündungshemmende Mittel soll bei Corona-Patienten auf der Intensivstation eine überschießende Immunreaktion bremsen, die bei Covid-19 häufig auftritt. Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist der größte Nutzen bei invasiv beatmeten Patienten nachgewiesen. Bei Menschen mit weniger schwerer Covid-Erkrankung hingegen könnte ein Einsatz „sogar nachteilig sein“.

Auch andere anti-entzündliche Wirkstoffe werden untersucht. In absehbarer Zeit zugelassen werden könnte der bisher gegen rheumatische Arthritis eingesetzte Wirkstoff Tocilizumab.

Hoffnung liegt auf Antikörper-Präparaten

Acht Medikamente zur Covid-Therapie befinden sich bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA auf verschiedenen Stufen im Zulassungsverfahren – darunter Antikörper-Präparate, die in Deutschland auch schon bei mildem Krankheitsverlauf im Einsatz sind.

In speziellen Fällen eingesetzt wird etwa bereits eine Kombination der monoklonalen Antikörper Casirivimab und Imdevimab (Handelsname Regn-CoV2) von Regeneron und Roche. Dieser Cocktail ist das erste Medikament, das die WHO zur Vorbeugung gegen schwere Verläufe bei Patienten mit milden Symptomen aber mit Risikofaktoren empfiehlt.

Monoklonale Antikörper werden im Labor hergestellt. Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und an das Virus oder etwa an eine Zelle an einem fest definierten Ziel andocken können. Die EMA prüft weitere vier Medikamente dieser Gruppe, die recht teuer sind.

Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité sagte im NDR-Corona-Podcast, dass eine Verabreichung monoklonaler Antikörper „fast immer schon zu spät“ sei – nämlich dann, wenn sich das Virus im Körper bereits stark vermehrt habe. Bei einem durchschnittlichen Patienten sei das im Wesentlichen schon zu Symptombeginn der Fall.

Ronapreve und Regkirona/Regdanvimab

Jüngst empfahl die EU-Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung für zwei neue Covid-Medikamente – die Antikörper-Therapie Ronapreve des Schweizer Pharmaunternehmens Roche sowie das Mittel Regkirona (Regdanvimab) des Herstellers Celltrion aus Südkorea. Beide Arzneimittel sollen in frühen Stadien der Infektion eingesetzt werden und beruhen auf antiviralen monoklonalen Antikörpern.

Das Mittel Ronapreve  besteht aus zwei Antikörpern (Casirivimab und Imdevimab). Es wird vom US-amerikanischen Hersteller Regeneron Pharmaceuticals mitproduziert und soll Menschen ab 12 Jahre gegeben werden können, die mit dem Coronavirus infiziert sind und ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. In Deutschland wird diese Antikörper-Kombination bereits in speziellen Fällen für Corona-Patienten eingesetzt.

Die EMA-Experten verweisen auf Ergebnisse einer Studie. Demnach musste weniger als ein Prozent der Covid-Patienten nach Behandlung mit Ronapreve stationär aufgenommen werden oder gar sterben. Bei der Vergleichsgruppe waren das dagegen 3,4 Prozent der Patienten. Insgesamt waren 1193 Patienten an dieser Studie beteiligt.

Mit dem Mittel Regkirona sollen Erwachsene mit einem hohen Risiko auf einen schweren Krankheitsverlauf behandelt werden, die an Covid-19 erkrankt sind, aber noch keinen Sauerstoff benötigen. Eine Studie belegt nach Angaben der EMA, dass drei Prozent der damit behandelten Patienten tatsächlich auch in Kliniken eingewiesen werden mussten, Sauerstoff bekamen oder sogar starben. Bei den Patienten, die das Mittel nicht bekommen hatten, kamen die sehr schweren Krankheitsverläufe häufiger vor, nämlich bei etwa elf Prozent. An dieser Studie hatten insgesamt 880 Patienten teilgenommen.

Nach der positiven Empfehlung der EMA muss die EU-Kommission jetzt die endgültige Entscheidung treffen. Das aber gilt als Formsache.

Lagevrio / Molnupiravir

Jüngst macht die ursprünglich gegen die Grippe entwickelte Pille Molnupiravir des US-Konzerns Merck Schlagzeilen, die ähnlich wie Remdesivir die Ausbreitung des Coronavirus in den Körperzellen verringern soll. Einer klinischen Studie zufolge reduziert sie die Wahrscheinlichkeit sehr schwerer Verläufe. Merck wollte schnellstmöglich weltweit Zulassungsanträge stellen.

Gesund durch den Coronawinter

Die britische Arzneimittelbehörde MHRA hat die Tablette Anfang November zur Behandlung von Covid-19 zugelassen. Das antivirale Mittel Lagevrio (auch bekannt unter dem Namen Molnupiravir) sei sicher und effektiv bei der Verminderung des Risikos von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen bei Covid-Patienten mit milden und mittelschweren Verläufen, hieß es in einer Mitteilung der britischen Regierung. Es handelt sich bei der Pille um das weltweit erste zugelassene antivirale Mittel zur mündlichen Einnahme gegen Covid-19.

Das von den Pharmakonzernen Ridgeback Biotherapeutics und Merck Sharp & Dohme (MSD) entwickelte Präparat störe die Vermehrung des Virus und vermindere so schwere Krankheitsverläufe, so die Mitteilung weiter. Klinischen Studien zufolge sei es am wirksamsten, wenn es so bald wie möglich nach einem positiven Test eingenommen werde und innerhalb von fünf Tagen nach dem Beginn von Symptomen.

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte Ende Oktober angekündigt, den Einsatz von Molnupiravir zu prüfen. Auch die US-Behörde FDA hat ein Zulassungsverfahren für das Mittel eingeleitet.

Paxlovid

Das amerikanische Unternehmen Pfizer plant außerdem, einen Antrag auf Zulassung bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA für das von ihm entwickelte Arzneimittel Paxlovid einzureichen. Paxlovid wird wie Molnupiravir in Pillenform verabreicht und gehört zur Klasse der Protease-Hemmer. Der Wirkstoff blockiert ein Enzym, das das SRARS-CoV-2 zur Vermehrung benötigt. Das Virus kann sich in der Zelle nicht vermehren und damit auch keine weiteren Zellen infizieren. Die Viruslast wird dadurch sehr schnell reduziert.

Berichten zufolge ist das Präparat zu 89 Prozent wirksam, um Krankenhausaufenthalte oder Todesfälle nach einer SARS-CoV-2-Infektion zu verhindern. Den vorläufigen Ergebnissen zufolge ist Paxlovid damit wirksamer als das Medikament Molnupiravir von Konkurrent Merck.

Langzeigtfolgen bei Coronaimpfung

Paxlovid zeigte in Untersuchungen vielversprechende Ergebnisse bei der Vorbeugung schwerer Formen von COVID-19 bei Risikopersonen wie älteren Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen. Die höchste Wirksamkeit wurde erzielt, wenn die Behandlung unmittelbar nach dem Auftreten der ersten Symptome verabreicht wurde.

Ivermectin und Hydroxychloroquin zeigten keinen Nutzen

Das Anti-Wurmmittel Ivermectin erwies sich hingegen als Flop. Vor allem in Lateinamerika kauften die Menschen nach Berichten über angebliche Erfolge bei der Covid-Behandlung die Regale leer – doch eine klinische Studie ergab kürzlich keine Wirksamkeit bei Corona. Das RKI warnt vielmehr vor heftigen Nebenwirkungen. Auch die Malaria-Medikamente Hydroxychloroquin und Chloroquin stellten sich als wirkungslos heraus.

Weitere Arzneimittel gegen Corona stehen in den Startlöchern

In jüngsten Tests mit dem Antikörper-Cocktail AZD7442 (anderer Name: Evusheld) von Astrazeneca zeigte sich in einer klinischen Studie: Das Risiko, symptomatisch an Covid-19 zu erkranken, konnte mit der Kombination um 77 Prozent verringert werden. Am 14. Oktober begann die EMA mit einem Prüfverfahren zur Zulassung. Daneben untersucht die EMA noch zwei Wirkstoffe, die beide auch schon für andere Krankheiten wie etwa rheumatoide Arthritis zugelassen sind.

In Deutschland wird außerdem sogenanntes Rekonvaleszentenplasma – aus dem Blut von Genesenen gewonnene Antikörper – erprobt. Der Wirkmechanismus ist vergleichbar mit dem synthetischer Antikörper. Bundesweit hatten Universitätskliniken schon vor einem Jahr Corona-Genesene um Blutplasma-Spenden gebeten. Die Aussagen zur Wirksamkeit seien allerdings „heterogen“.

Geforscht wird auch an Medikamenten, die eine Zerstörung der Lunge verhindern. Dabei geht es etwa um sogenannte mesenchymale Stammzellen. Sie werden aus Nabelschnurgewebe gewonnen, sind Vorläufer für verschiedene Zelltypen im Körper – und könnten nach ersten Studien schwer erkrankten Corona-Patienten helfen. Sie sollen Lungengewebe schützen oder regenerieren.

Nachrichtenquelle: geo.de

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