Braune Ökos: "Strategie der Selbstverharmlosung": Wie Rechte versuchen, den Naturschutz zu unterwandern

Natur-, Umwelt- und Klimaschutz sind längst auch Thema rechter Gruppierungen. Im Gespräch mit GEO.de erklärt der Experte Yannick Passeick, wie Verbände und Initiativen unterwandert werden – und wie sich die Fridays for Future-Bewegung erfolgreich gegen eine Vereinnahmung wehrt

GEO.de: Herr Passeick, offensichtlich interessieren sich immer mehr Rechte für den Naturschutz. Warum eigentlich?

Yannick Passeick: Die Schnittmenge liegt ganz klar beim Bewahren der Heimat und der heimischen Natur. Etwas weitergedacht, kommen wir zum Biologismus, der Vorstellung, dass das deutsche Volk als Teil der deutschen Natur und Heimat geschützt werden muss. Das ist ein Gedankenkonstrukt, das letztlich auch sehr sinnvoll in eine rechte Ideologie passt.

Wird die Naturschutzbewegung gezielt unterwandert, oder engagieren sich in Naturschutzvereinen einfach nur Menschen, die manchmal auch rechtes Gedankengut pflegen?

Beides. Wir wissen aus den letzten Jahren und Jahrzehnten, dass es immer wieder Fälle von gezielter Unterwanderung gab, sei es in Naturschutzverbänden oder Bürgerinitiativen gegen Atomkraftwerke oder Braunkohle oder ähnliches. Die großen Naturschutzverbände und Umweltschutzverbände sind zwar zumindest auf Bundes- und Landesebene gut aufgestellt und haben spätestens seit dem Einzug der AfD in den Bundestag klare Beschlüsse, was die Abgrenzung nach rechts anbelangt. Andererseits liegt die Gründung einiger Natur- und Umweltschutzverbände schon gut 100 Jahre zurück, und ihre Wurzeln liegen oft in einem sehr konservativen Spektrum. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn es in den Verbänden, die unter dem Dach des Deutschen Naturschutzrings bis zu elf Millionen Menschen in Deutschland vertreten, auch rechts denkende Menschen gibt. Die Frage ist, ob sie dort das Klima bestimmen.

Haben Sie Beispiele für gezielte Unterwanderung?

Ein bekanntes Beispiel ist die NPD, die vor einigen Jahren eine Bürgerinitiative in Mecklenburg-Vorpommern unterwandert hat, die sich gegen Atomkraftwerke in Polen gerichtet hat. Vor drei Jahren versuchte der sogenannte “Dritte Weg” sich an die Proteste im Hambacher Forst anzuschließen. Es gibt immer wieder auch Versuche, bei Initiativen gegen Windkraft oder Stromtrassen anzudocken. Ein aktuelleres Beispiel ist der Protest gegen das neue Tesla-Werk in Grünheide in Brandenburg. Auch da haben rechte Naturschutzgruppierungen versucht, sich an den Protest dort anzuschließen.

Was den Protest an sich nicht delegitimiert …

Der Protest, das muss ich an dieser Stelle deutlich sagen, ist selten per se rechts und auch selten per se populistisch. Es gibt aber Zusammenschlüsse, wo wir zum Beispiel klare Überschneidungen mit AfD-Personal sehen, wo AfD-Politiker versuchen, Einfluss zu nehmen.

Mit welchem Ziel?

Man hat zunächst mal eine gemeinsame Forderung. Die muss ja auch gar nicht vorgeschoben sein. Aber dabei bleibt es dann nicht, es geht immer auch um ideologische Komponenten. Das Ziel ist natürlich, Akzeptanz zu schaffen. Aber auch darum, das Image des “bösen Nazis” zu zerstören. Es ist eine Strategie der Selbstverharmlosung, der sich vor allem die Neue Rechte gerne bedient. Es wird suggeriert: Wir sind nicht böse, wir haben die gleichen Ziele, mit uns kann man zusammenarbeiten.

Wie erkenne ich denn als argloser Naturschutz-Interessierter, mit wem ich es zu tun habe? Und was kann ich tun?

Ob man das erkennt oder nicht, ist natürlich sehr situationsabhängig. Aber zum Beispiel bei einem Arbeitseinsatz für den Naturschutz spricht man ja vielleicht auch über andere Sachen, wie man das im normalen Leben auch tut, und da können schon mal rassistische oder diskriminierende Äußerungen fallen. Das Mindeste, was man dann tun kann, ist, ein bisschen Haltung zu zeigen. Auch wenn man nicht besonders schlagfertig ist.

Gibt es besonders heikle Themen?

Das Sprechen über „heimische“, „fremde“ oder gar „invasive“ Arten ist gerade im praktischen Naturschutz ein mögliches Einfallstor. Das ist etwas, das von extrem rechts schon immer gespielt wurde. Und zwar in dem Sinn: Alles, was hier heimisch ist, gehört hierhin, alles andere nicht. Und das wird dann auf die Gesellschaft und Migrationsfragen übertragen. Hier sollte man genau hinhören, wie argumentiert wird. Unser Vorschlag ist, bei dieser Thematik auch sprachlich ein bisschen abzurüsten, zum Beispiel nicht von der “Ausrottung invasiver Arten” zu sprechen. 

Nimmt Druck von rechts auf die Ökobewegung zu?

Ja, ganz eindeutig, spätestens seit der Konzentration auf das Klimathema und den guten Umfrageergebnissen der Grünen. Wir haben immer wieder Versuche beobachtet, sich an die Fridays for Future-Proteste anzudocken und das Ökologie-Thema wieder stärker von rechts zu bespielen. Solche Versuche sehen wir besonders bei den Neuen Rechten, die seit etwa anderthalb Jahren eine Zeitschrift, “Die Kehre”, herausgeben. Mit der versuchen sie, laut ihrem eigenen Anspruch, den Grünen und den Linken das Thema Ökologie wegzunehmen, das die ihnen in den 80er-Jahren angeblich geklaut haben. Björn Höcke hat die „Die Kehre“ von Anfang an beworben.

Muss man sich Sorgen machen, auf Fridays for Future-Demos mit Rechten zu demonstrieren?

Aufmerksam sein sollte man schon. Ich gehe aber nicht davon aus, dass bei den Klimastreiks damit zu rechnen ist, weil die sich ja sehr klar antifaschistisch ausdrücken und zum Konzept der Klimagerechtigkeit bekennen. Das ist ja der große Widerspruch. Rechts wird eher national gedacht, das globale Denken und Klimagerechtigkeit kommen da nicht vor. Das ist auch ein Erfolg der Fridays for Future-Bewegung, dass sie sich sehr klar positionieren.

Yannick Passeick ist Politikwissenschaftler und Bildungsreferent bei der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN)

Nachrichtenquelle: geo.de

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