Nordsee: Was den Langwarder Groden so besonders macht

Mal wandert man übers Meer, mal übers Watt: Dank eines Bohlenweges lässt sich der Langwarder Groden auf der Halbinsel Butjadingen trockenen Fußes durchqueren. Hier hört man Krebse knistern

Die Wanderung durch den Langwarder Groden beginnt mit einer Enttäuschung. „Vögel sind nicht da“, sagt Annelie Hedden, Rangerin im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.

Nur eine Feldlerche gibt sich Mühe, die Besuchergruppe aufzuheitern. Sie steigt auf, steht in der Luft, zwitschert und jubiliert. Hedden sagt, sie übersetze das mal: „Hey, herzlich willkommen im Weltnaturerbe.“

Auf der Deichkrone ein erster Stopp. „Wir stehen hier auf einem der sichersten Deiche Niedersachsens“, sagt Hedden – direkt an der Nordspitze der Halbinsel Butjadingen, zwischen den Dörfern Langwarden und Fedderwardersiel. Und exakt am Rand des Nationalparks.

Annelie Hedden
Annelie Hedden ist Rangerin des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer
© Wolfgang Stelljes/dpa-tmn

Vor uns liegt der Langwarder Groden, Marschland, lauter Grau- und Grüntöne. Ein zweiter Deich, Sommer- oder Vordeich genannt, begrenzt den Blick. Dahinter ein schmaler Streifen Nordsee. Im Osten ragen die Ladekräne des Containerterminals Bremerhaven in den Himmel, im Westen die des Jade-Weser-Ports bei Wilhelmshaven.

Als der Deich geöffnet wurde

Ohne den Jade-Weser-Port gäbe es den Naturerlebnispfad Langwarder Groden nicht, sagt Annelie Hedden. Sie weiß noch, wie der Groden früher aussah. Seit 1986 gehört er zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Davor wurden die Flächen landwirtschaftlich genutzt. Der Sommerdeich wurde dann 2014 auf einer Länge von mehreren Hundert Metern geöffnet, als eine von mehreren „Ausgleichsmaßnahmen“ beim Bau des Jade-Weser-Ports. Denn Eingriffe in die Natur müssen kompensiert werden, so sieht es das Bundesnaturschutzgesetz vor.

Seit sieben Jahren kann also man beobachten, wie sich die Natur zurückholt, was ihr einst genommen wurde. Der Langwarder Groden ist wieder dem stetigen Wechsel von Ebbe und Flut ausgesetzt. Die eine Hälfte, rund 70 Hektar, wird vernässt. Offiziell nennt sich das „Salzwiesenentwicklungsfläche“. Die andere Hälfte wird beweidet. Hier halten Rinder die Flächen kurz. Soll heißen: „Weniger Schilf, weniger Füchse, weniger Stress für die Wattvögel“, sagt Hedden.

Exotische Küstenbewohner

Quer durch den Groden führt ein gut fünf Kilometer langer Naturerlebnispfad. Dank eines 400 Meter langen Bohlenwegs und mehrerer Holzbrücken gelangt man trockenen Fußes über das Wasser oder – bei Ebbe – über das Watt und den Priel.

„Im Watt können nur extrem anpassungsfähige Pflanzen überleben“, erklärt Hedden. Der Queller zum Beispiel, eine Pionierpflanze, ohne die keine Salzwiese entstehen würde. Oder der Strandwegerich.

Ein Seehund liegt im Langwarder Groden und sonnt sich
Ein Seehund liegt im Langwarder Groden und sonnt sich
© Wolfgang Stelljes/dpa-tmn

Annelie Hedden bleibt stehen. „Bitte einmal ruhig. Was hören Sie?“ Eigentlich nichts. Oder fast nichts, nur ein schwaches Knistern, fast wie Kohlensäure im Glas. „Das ist das Wattknistern“, sagt Hedden. Verursacht wird es von den Schlickkrebsen, „winzig kleinen Tieren, die ständig Luftblasen aufsteigen lassen“, erklärt die Expertin.

Auf jedem Quadratmeter Watt leben bis zu 100.000 Schlickkrebse, zudem Muscheln, Schnecken und Würmer – ein reich gedeckter Tisch für Millionen von Zugvögeln, die hier im Frühjahr und Herbst Rast machen.

Futtern auf der Durchreise

Ein Beispiel ist der Knutt, der bei seinem zwei- bis dreiwöchigen Stopp im Wattenmeer so viel futtert, dass sich sein Gewicht verdoppelt. Annelie Hedden erkennt das Federvieh an Farbe, Form oder Gesang. Mal vernimmt sie das Flöten eines Rotschenkels: ein Bodenbrüter und „Charaktervogel“ der Salzwiesen. Dann wieder macht sie die Gruppe auf eine Schafstelze aufmerksam, deren Unterseite knallgelb leuchtet. „Wie eine fliegende Zitrone.“

Außerdem zu sehen: Trupps von Austernfischern und Pfuhlschnepfen, daneben Säbelschnäbler und die eher seltenen Kiebitzregenpfeifer.

Dem Pfad durch den Langwarder Groden wurde 2019 das Zertifikat Qualitätswanderweg Wanderbares Deutschland verliehen, als einem „der schönsten Orte, um an der Nordsee heimische Vögel zu beobachten“. Die beste Zeit dafür sind die Stunden vor und nach dem Hochwasser, sagt Hedden. Es empfiehlt sich also ein Blick in den Gezeitenkalender.

Nachrichtenquelle: geo.de

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