Selten, aber gefährlich: Mythos Fuchsbandwurm: Wie groß ist die Infektionsgefahr beim Beeren sammeln?

Das ungeschriebene Gesetz, niemals tiefhängende Früchte zu pflücken, weil diese mit dem gefürchteten Fuchsbandwurm infiziert sein könnten, hält sich hartnäckig. Doch wie groß ist die Gefahr einer Infektion, die unbehandelt tödlich verläuft, tatsächlich?

Wenn Brombeeren, Erdbeeren, Himbeeren und Blaubeeren reif sind, dann ist sie da: die beste Zeit im Jahr! Viele zieht es dann hinaus in die heimische Natur, um auf Waldspaziergängen wild wachsende Beeren vom Strauch zu pflücken. Der ein oder andere hat dabei womöglich noch die Warnung der Großeltern im Ohr: „Nie Beeren in den Mund stecken, die bodennah hängen!“ Dort lauerten nämlich, so die einhellige Meinung, die Eier des gefährlichen Fuchsbandwurms.

Im fortpflanzungsfähigen Stadium lebt der Parasit meist im Dünndarm von Füchsen, seltener auch in anderen Tieren wie Wolf oder Marderhund, die dessen Eier mit dem Kot ausscheiden. Wer bodennah wachsende Pflanzen und Beeren sammelt, so warnten Expertinnen und Experten lange Zeit, könnte demnach Wurmeier aufnehmen, die an ihnen haften. Gelangten die Eier des gefährlichen Parasiten über die ungewaschenen Früchte in Magen und Darm, könnte das für den Menschen tödlich enden.

Unbehandelt endet eine Infektion mit dem Fuchsbandwurm tödlich

Tatsächlich ist der Fuchsbandwurm für den Menschen ein äußerst gefährlicher Parasit. Der nur wenige Millimeter lange Echinococcus multilocularis setzt sich in 99 Prozent der Fälle in der Leber fest und bildet dort über Jahre hinweg tumorartige Wucherungen, welche das Organ Stück für Stück zerstören. Manchmal werden aber auch Herz, Lunge oder das Gehirn angegriffen. Spürbare, aber recht unspezifische Symptome, zum Beispiel Fieber, Gewichtsverlust sowie ein Druckgefühl oder Schmerzen im Bauchraum, merken Betroffene oft erst nach zehn oder mehr Jahren. Unbehandelt endet die Erkrankung, die sogenannte alveoläre Echinokokkose, meist tödlich.

Dies erschwere zudem die Nachverfolgung. „Aufgrund des langen Zeitraums, der zwischen der Infektion und den ersten Symptomen liegt, können sich Betroffene in der Regel gar nicht mehr erinnern, wann und wo genau sie sich infiziert haben könnten“, erläutert Dr. Martin Richter vom Bundesinstitut für Risikobewertung, der dort die Fachgruppe „Diagnostik, Erregercharakterisierung und Parasiten in Lebensmitteln“ leitet.

Aus medizinischen Studien und Statistiken geht hervor, dass die Möglichkeit einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm über die Nahrung – zum Beispiel durch den Verzehr von ungewaschenen Waldfrüchten – bisher nicht individuell zurück verfolgt werden konnte. Pilz- und Beerensammler haben demnach kein sichtlich erhöhtes Ansteckungsrisiko. Tatsächlich aber ist das Risiko, über Waldbeeren mit den Eiern des Fuchsbandwurms in Berührung zu kommen, statistisch gesehen geringer als das Risiko, vom Blitz getroffen zu werden (was in Deutschland pro Jahr etwa 200 bis 300 Menschen passiert).

Fuchs im Gebüsch
Im Süden Deutschlands sind weit mehr Füchse mit dem Fuchsbandwurm infiziert als im Norden des Landes
© Jolanda Aalbers – Shutterstock

Vielmehr geht man heute davon aus, dass nicht Wildpflanzen die größte Infektionsquelle für den Fuchsbandwurm sind, sondern der Kontakt mit infizierten Wildtieren, eingeatmeter Staub in der Landwirtschaft sowie Haustiere, die nicht regelmäßig entwurmt werden. Jagen und fressen beispielsweise Hunde oder Katzen mit den Eiern des Fuchsbandwurms infizierte Kleinnager und tragen die Eier anschließend im eigenen Fell mit sich herum, so laufen Haustierbesitzer Gefahr, sich anzustecken. Streichelt man die Tiere, werden die Wurmeier auf den Menschen übertragen.

Die Befallsraten bei Haustieren sind allerdings selbst in stark betroffenen Gebieten sehr niedrig. Lediglich regelmäßige „Mäusefänger“ unter den Hunden seien häufiger befallen, meldet das Landesgesundheimtsamt in Baden-Württemberg. Eine weitere Erkenntnis: Menschen, die beruflich mit der Jagd- oder Forstwirtschaft zu tun haben, sind durch den engen Kontakt zu Tieren stärker gefährdet.

Infektionszahlen beim Menschen steigen seit Jahren

Auch wenn die Fallzahlen im Vergleich zu anderen Krankheiten gering sind: In Deutschland steigt die Zahl der Fälle von Menschen, die an der alveolären Echinokokkose erkranken, seit Jahren an. Nach Angaben des Infektionsepidemiologischen Jahrbuchs, in dem das Robert Koch-Institut (RKI) im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes alljährlich übermittelte Daten meldepflichtiger Erkrankungen sammelt und veröffentlicht, wurden zu Beginn der Meldepflicht im Jahr 2001 nur elf Fälle gemeldet, zehn Jahre später waren es schon 36 Fälle und im Jahr 2020 sogar 53 bestätigte Fälle.

Dabei verzeichnet das RKI ein Nordost-Südwest-Gefälle, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Fälle beim Menschen als auch der befallenen Füchse. Im Epidemiologischen Bulletin (Ausgabe Nr. 15) verortet das RKI zudem die Hauptinfektionsgebiete in Baden-Württemberg und Bayern. Doch auch eine Ausbreitung der Befallszahlen in den nördlichen Bundesländern könne seit Jahren beobachtet werden.

Zudem führe eine generelle Zunahme von Populationen wildlebender Karnivoren wie Fuchs, Wolf oder Marderhund in Deutschland zu steigenden Infektionszahlen bei Tieren und Menschen. Das sei unter anderem auch auf die erfolgreiche Bekämpfung der Tollwut zurückzuführen.

Hinzu kommt, dass Begegnungen zwischen Mensch und Wolf oder Fuchs immer häufiger werden. Viele Tiere fühlen sich im urbanen Raum wohl, das Nahrungsangebot ist gut und Fressfeinde gibt es wenige. Statistisch gesehen steige mit häufigeren Kontakten natürlich die Wahrscheinlichkeit, sich im urbanen Raum mit den Eiern des Fuchsbandwurms zu infizieren, weil auch Hunde den Erreger übertragen können, so Dr. Martin Richter. Er betont jedoch auch: Das Infektionsrisiko sei in Deutschland nach wie vor sehr gering.

Auf Hygiene achten und Füchse nicht anlocken

Solange die individuellen Auslöser einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm also nicht eindeutig identifiziert sind, lohnt es sich, Vorsicht walten zu lassen. Den gut gemeinten Ratschlag, keine Waldbeeren in Bodennähe zu pflücken, hält Dr. Martin Richter allerdings für keine alltagstaugliche Empfehlung: „Dann dürfte man Früchte wie Heidelbeeren oder Walderdbeeren, die sich als Bodendecker ausbreiten, ja gar nicht mehr essen.“

Viel sinnvoller sei es hingegen, immer auf eine gute Küchenhygiene zu achten und Obst sehr gründlich abzuwaschen oder zu erhitzen – zum Abtöten der Eier des Fuchsbandwurms auf 60 bis 80 Grad Celsius für fünf Minuten. Denn eine hundertprozentige Sicherheit könne nur durch das Abkochen der Keime gewährleistet werden.

Ähnliches empfiehlt auch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, um das Infektionsrisiko zu minimieren:

  • Waldfrüchte wie Beeren, Kräuter oder Pilze, Gemüse und Salat aus dem Garten sowie Fallobst immer gründlich waschen.
  • Lebensmittel auf über 60°C zu erhitzen, gilt als besonders sicher.
  • Den Kot von Hunden und Katzen, die unbeaufsichtigt streunen, regelmäßig auf Bandwurmeier untersuchen und bei Bedarf eine Entwurmung  durchführen lassen.
  • Füchse, weder tot noch lebendig, nicht anfassen.
  • Nach Arbeiten im Garten oder auf dem Feld stets gründlich die Hände waschen.
  • Füchse im eigenen Garten nicht durch Futter anlocken und ihnen auch keinen Zugang zu Abfällen ermöglichen.

Nachrichtenquelle: geo.de

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