Seit mehr als 30 Jahren: Der Preis der Freiheit: Thailands letzter Gorilla im Horror-Zoo

Der Pata Zoo auf dem Dach eines schmuddeligen Einkaufszentrums in Bangkok wird oft als „traurigster Zoo der Welt“ betitelt. Hier lebt Bua Noi, Thailands einziger Gorilla. Seit Jahren kämpfen Tierschützer für die Freiheit der Primatin. Nun macht das Tier neue Schlagzeilen

Bua Noi liegt apathisch in der hintersten Ecke ihres Käfigs. 10 mal 20 Meter ist ihr Gefängnis groß, umgeben von Gitterstäben und dickem Glas. Sonnenlicht fällt nur an einer Stelle ein, ringsum Beton, ein paar Seile und ein alter Autoreifen sollen dem Gorilla-Weibchen die Zeit vertreiben – seit mehr als 30 Jahren. Aber die Menschenmenge im privat betriebenen Pata Zoo auf dem Dach eines alten Einkaufszentrums in Bangkok will mehr sehen. Und so lockt ein Mitarbeiter Bua Noi („kleiner Lotus“) mit einem Trinktütchen Milch. Schließlich rafft sie sich langsam auf und kommt näher.

Dutzende Handys filmen und fotografieren das traurige Tier, den einzigen Gorilla im ganzen Land. Die Primatin blickt mit leeren Augen auf ihr Publikum. „Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt“, dichtete Rainer Maria Rilke einst über einen Panther. Die Zeilen scheinen wie für Bua Noi geschrieben. Sie ist der Kassenschlager des Pata Zoo. Als „Horror-Zoo“ wird das düstere Areal, in dem Hunderte Affen, Reptilien und Vögel dahinsiechen, auch oft betitelt.

Der weibliche Gorilla Bua Noi (Little Lotus) blickt durch die Gitterstäbe seines Käfigs im Pata-Zoo im obersten Stockwerk eines Einkaufszentrums. (Archivfoto von 2015)
Der weibliche Gorilla Bua Noi (Little Lotus) blickt durch die Gitterstäbe seines Käfigs im Pata-Zoo im obersten Stockwerk eines Einkaufszentrums. (Archivfoto von 2015)
© Rungroj Yongrit/EPA/dpa

Immer wieder gab es Versuche, Bua Noi in eine Umgebung umsiedeln zu lassen, in der sie ihre letzten Lebensjahre in Würde und inmitten von Natur verbringen kann. Zahlreiche Tierschützer und Prominente wie Pop-Ikone Cher haben sich schon für sie stark gemacht. Eine Petition auf Change.org haben bisher etwa 117.000 Menschen unterschrieben. „Sie leben allein, in einer Welt aus Beton und Stahl, ohne jegliche Stimulation. Ein Leben voller Langeweile und Einsamkeit ist für unsere großen Primaten-Cousins das grausamste Schicksal von allen“, heißt es da. Manchmal schien es, dass Bewegung in das Drama kommen könnte – so in der vergangenen Woche.

Da hieß es plötzlich aus dem thailändischen Umweltministerium, die Besitzer wollten 30 Millionen Thai Baht (800.000 Euro) für die Freilassung des Gorillas haben. Dann könne das Tier in einen Zoo nach Deutschland gebracht werden – denn da stamme der Menschenaffe auch ursprünglich her. Um welchen Zoo es sich handeln könnte, wurde nicht bekannt. Aber die Ankündigung sorgte umgehend für Schlagzeilen.

Der Zoo selbst dementierte die Geldforderung kurze Zeit später auf seiner Facebook-Seite und erklärte, Bua Noi sei zu alt, um sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen, und sie werde zudem gut versorgt. Dennoch ist das Schicksal der Primatin seither nicht nur in Thailand, sondern auch international wieder in aller Munde.

„Noch eine lange, traumatisierende Reise wäre lebensgefährlich bzw. Tierquälerei“

In Wirklichkeit stammte Bua Noi Nachforschungen von Tierschützer Daniel Stiles zufolge aber nicht aus Deutschland, sondern vermutlich aus Äquatorialguinea, wo sie als Baby gefangen wurde. Ein deutscher Tierschmuggler brachte sie Ende der 1980er Jahre nach Thailand. „Bua Noi kommt nicht aus einem deutschen Zoo, sondern ist ein trauriges Ergebnis des Wildtierhandels. Sie wurde in Afrika von einem deutschen Tierhändler direkt nach Thailand verkauft“, sagte auch Daniel Merdes, Geschäftsführer der Organisation „Borneo Orangutan Survival Deutschland“ (BOS).

Mit BOS Deutschland setzt Merdes sich schon lange für die Befreiung aller Tiere aus dem Zoo ein – vor allem der Orang-Utans und Dutzender anderer Primaten wie Lemuren und Makaken, die unter ebenso desaströsen Bedingungen ihr Dasein fristen müssen. Für Bua Noi sei die einzige Lösung, sie in Thailand in ein Schutzzentrum zu bringen. „Nur so könnte sie ihre letzten Jahre in Würde und in natürlicher Umgebung leben. Noch eine lange, traumatisierende Reise wäre lebensgefährlich bzw. Tierquälerei – egal ob Deutschland oder Afrika“, so der Experte.

Der triste Alltag der Zoo-Eisbären (16058)

Einer, der ihre Aufnahme angeboten hat, ist Edwin Wiek. Der Holländer ist Gründer der Wildlife Friends-Stiftung in Thailand und betreibt seit vielen Jahren eine Auffangstation mit viel Natur in Phetchaburi, etwa 200 Kilometer von Bangkok. Zuletzt kamen dort bereits die Tiger des Konkurs gegangenen Phuket Zoo unter. „Wir glauben, dass es moralisch nicht richtig wäre, eine enorme Geldsumme für das Highlight des Pata Zoo zu zahlen“, sagte Wiek der Deutschen Presse-Agentur. 30 Millionen Baht seien viel Geld für ein Tier, das vermutlich nur noch wenige Jahre zu leben habe. „Zudem möchten wir, dass ein Deal für alle Tiere des Zoos – oder zumindest der Primaten – gemacht wird.“

„Gorilla in Alcatraz“

Die Besitzer des Pata Zoo scheinen daran aber nicht interessiert – denn der Laden brummt. Sie versichern, Bua Noi gehe es gut. Umweltminister Varawut Silpa-archa sagte jetzt: „Der Pata Zoo hat versprochen, sich bis zu ihrem letzten Tag um sie zu kümmern. Und als ihr Besitzer hat er das Recht dazu.“ Dem Zoo könne nicht weggenommen werden, was ihm gehöre – zunächst müssten viele Dinge geregelt werden. Was es mit der angeblichen Geldforderung auf sich hatte, ist unklar.

„Gorilla in Alcatraz“, war am Montag der Titel eines Leserbriefs in der „Bangkok Post“ – die Wortwahl ist treffend. Daniel Merdes sagt: „Kein Tier sollte in so einem dunklen Betonverlies leben müssen. Kein Grün, nur Grau und die schrillen Schreie der anderen Tiere. Es ist mir unbegreiflich, wie sich Besucher hier unterhalten fühlen.“

Bua Noi sitzt derweil auf dem Betonboden, dem einzigen Boden, den sie kennt. Immer wieder atmet sie in kurzen Schüben Luft ein und starrt hilflos an die Decke. Es sieht aus, als würde sie weinen, ja schluchzen. Gorillas und Menschen teilen 98 Prozent ihres Erbgutes.

Nachrichtenquelle: geo.de

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