Meeresmüll: Geisternetze und Co: 14 Milliarden Köderhaken landen jährlich im Meer

Ob absichtlich oder unabsichtlich – von Fischerei-Schiffen gelangen immer wieder Netze, Leinen und andere Ausrüstungsgegenstände ins Meer. Wie viel Müll kommt dabei zusammen? Allein die jährlich verlorenen Langleinen könnte man zusammengenommen mehr als 17 Mal um die Erdkugel wickeln

Netze, Leinen oder Haken – etwa zwei Prozent der weltweit verwendeten Fischereiausrüstung landen jährlich im Meer. Zusammengerechnet umfassten allein die verlorenen Stellnetze eine Fläche von knapp 3000 Quadratkilometern, bei Ringwadennetzen seien es gar 75 000 Quadratkilometer. Zudem gehen jährlich etwa 740.000 Kilometer Langleinen und rund 14 Milliarden Köderhaken verloren, berichten australische Forscher im Fachmagazin „Science Advances“. Die verlorenen Ausrüstungsmaterialien bedrohten Meerestiere und -pflanzen, Küstenlebensräume und letztlich auch die Nahrungssicherheit.

Oft ist von Geisternetzen die Rede, wenn es um Gerätschaften geht, die von Fischereischiffen aus ins Meer gelangen. Fachleute sprechen genauer von „zurückgelassenen, verlorengegangenen oder anderweitig entsorgten Fanggeräten“ (abandoned, lost or otherwise discarded fishing gear, ALDFG). Das sind meist keine vollständigen Netze, die hinterher im Meer wabern, oft sind es nur Reste von Netzen sowie Leinen, Taue oder Köderhaken. Auch Reusen und andere Fangkäfige werden dazugerechnet.

Wie groß die Menge dieser Hinterlassenschaften ist, sei bisher nicht sicher bekannt, schreiben die Forscher um Kelsey Richardson von der University of Tasmania (Australien). Die oft genannte Zahl von 640 000 Tonnen sei überholt und unpräzise. „Sie hat sich im Laufe der Zeit zu einer akzeptierten Weisheit entwickelt, ist aber möglicherweise falsch“, erläuterte Studienleiter Chris Wilcox der dpa. Eine realistische Abschätzung sei aber wichtig, um zu verstehen, wie groß das Problem ist – „und ob es groß genug ist, um im Vergleich zu anderen Fragen der Meeresbewirtschaftung eine hohe Priorität zu haben“.

Um genauere Informationen zu bekommen, befragten die Forschenden insgesamt 451 Fischer aus sieben Nationen zu ihren Verlusten. Sie kombinierten die Angaben mit Daten zum weltweiten Fischereiaufkommen und berücksichtigen bei ihren Berechnungen auch den Einfluss der jeweiligen Schiffsgröße.

Den Berechnungen zufolge verliert ein einzelnes Schleppnetz-Fischereischiff pro Jahr gut 2000 Quadratmeter Netz – eine Menge, die sich über alle Schiffe zu insgesamt 218 Quadratkilometern weltweit summiert. Ein Stellnetzfischer verliert gut 3100 Quadratmeter Netz im Jahr, zudem gehen gut 58 000 Quadratmeter Ringwadennetze von jedem einzelnen Schiff verloren. Des weiteren landen der Hochrechnung zufolge jährlich knapp 14 Milliarden Köderhaken und gut 25 Millionen Fangkäfige im Meer.

„Diese Forschungsarbeit zeigt, dass selbst relativ kleine Anteile an Verlusten von Fanggeräten in einigen Fällen zu recht großen, aggregierten Einträgen von Fanggeräten in die Weltmeere führen können, die oft eine sehr starke Verschmutzung darstellen“, erläutert Kelsey. Fischereigerät habe als eine der Hauptursachen für die weltweite Plastik-Verschmutzung der Meere im Vergleich zu vielen anderen Arten von Plastikverschmutzung unverhältnismäßig größere Auswirkungen auf die Meeresfauna und -flora und ihre Lebensräume.

„Die Schätzungen können von Fischern, Managern, politischen Entscheidungsträgern, Nicht-Regierungsorganisationen und Forschern genutzt werden und etwa neuen Risikoabschätzungen für die Anwendung unterschiedlicher Fangmaterialien zugrunde liegen“, schreiben die Forschenden.

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Die befragten Fischer stammten aus Island, Marokko, Neuseeland, Belize, Indonesien, den USA und Peru – die drei letztgenannten gehören nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) zu den zehn bedeutendsten Fischereinationen gemessen an der Fangmenge. Nicht darunter waren hingegen Fischer aus China, der mit einigem Abstand größten Fischereination der Welt. Man habe aber versucht, eine möglichst repräsentative Stichprobe zu wählen und etwa Länder mit hohem und niedrigem Bruttoinlandsprodukt oder größeren und kleineren Produktionsmengen berücksichtigt, erläuterte Wilcox.

Die Forscher wollen mit ihren Untersuchungen auch die Gründe besser verstehen, aus denen Material überhaupt verloren geht, um auf dieser Grundlage Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Wilcox nennt Überfüllung in den Fischereigründen als eine mögliche Ursache von Materialverlust. So könne sich etwa das Material eines Fischers in dem eines anderen verheddern, zum Beispiel ein Stellnetz von einem Boot durchtrennt werden und davontreiben. Das sei grundsätzlich anders zu bewerten als Materialverlust infolge von schlechtem Wetter. „Die Schlüsselfrage ist, welches die wichtigsten Triebkräfte sind, und welche davon sich für eine Intervention eignen.“

Nachrichtenquelle: geo.de

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