Debatte: Steigert Totholz die Waldbrandgefahr?

In Deutschland und Europa lodern Tausende Hektar Wald. Werden die Brände von abgestorbenem Holz genährt? Macht es Sinn, die Wälder von Totholz zu „reinigen“? Ökologen und Forstexperten widersprechen

Als im November 2018 in Kalifornien riesige Waldflächen loderten, versuchte sich der damalige US-Präsident Donald Trump als Waldbrand-Experte. Er riet, die Wälder durchzuharken und Totholz zu entfernen. So wie es angeblich die Finnen tun. Die dementierten zwar umgehend – Wälder werden weder in Finnland noch sonst irgendwo geharkt. Doch von der Idee, abgestorbene Bäume und Äste vorsorglich zu entfernen, ist angesichts der verheerenden Brände in Sachsen und Brandenburg wieder viel die Rede.

So sagte der Präsident des deutschen Feuerwehrverbandes, Karl Heinz Banse, dem Mitteldeutschen Rundfunk, gerade in den Nationalparks in der Sächsischen Schweiz und im Harz gebe es ein massives Problem mit Totholz. Es müsse so schnell wie möglich aus den Wäldern herausgeschafft werden, damit Brände effektiver bekämpft werden könnten.

Doch Experten widersprechen. Zwar sei trockenes Holz potenziell gefährlich, sagte Andreas W. Bitter von der TU Dresden dem MDR. Doch Holz, das am Boden liegt, ist nach Einschätzung des Forstwissenschaftlers nicht das Hauptproblem: „Am Boden ist es in weiten Teilen des Jahres feucht, sodass das Holz Stück für Stück verrottet“, sagte Bitter.

„Dickes, sich zersetzendes Totholz am Boden wird nach einigen Jahren feucht oder gar nass“, erklärt auch der Pflanzenbiologe Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde gegenüber GEO.de. Bodenfeuer könne es sogar bremsen. Gefährlich seien momentan vor allem Nadelholzplantagen ohne feuchtes Totholz.

Das Problem: Kiefern oder Fichten fangen wegen ihres hohen Harzgehalts leicht Feuer. Und mit rund 50 Prozent ist die Fichte im Nationalpark Sächsische Schweiz die vorherrschende Baumart, die Kiefer kommt auf immerhin 14 Prozent. Stürme, Dürren und Borkenkäferbefall haben viele der Bäume geschwächt oder ganz absterben lassen.

Auch Deutschlands bekanntester Förster, Peter Wohlleben, erklärt auf Twitter: „Wenn die Feuerwehr Totholz als Brandgefahr verteufelt, ist das zu pauschal.“ Dickes Totholz sei ein Wasserspeicher.

Auch der Nationalpark erteilt der Aufräum-Idee eine Absage: „Selbst wenn wir das gesamte Holz, das auf dem Boden liegt, entfernen würden, dann würde so ein Brand genauso schnell verlaufen“, meint Nationalpark-Sprecher Hanspeter Mayr. Er verweist auf einen Brand auf tschechischer Seite. Hier habe es zuvor auf einer Fläche von 37 Hektar einen Kahlschlag gegeben.

Wald-Experte: „Monokulturen und Holzgier schuld am Brandproblem“

Piere Ibisch hält eine „Säuberung“ des Waldes auch aus ökologischen Gesichtspunkten für unsinnig: „Totholz ist eine Schlüsselressource der Waldentwicklung. Es hat eine große Bedeutung für die Bodenbildung und Walderneuerung“, sagt der Naturschutzexperte.

Langfristig müssen Wälder widerstandsfähiger werden – gegen Wetterextreme wie Stürme und Dürren, aber auch gegen Waldbrände. Das forderte kürzlich auch der Bundeslandwirtschaftsminister: „Waldumbau ist das Zauberwort, damit machen wir die Wälder widerstandsfähiger gegen Trockenheit und Hitze. Wir müssen weg von Monokulturen aus Fichten oder Kiefern, hin zu Mischwäldern“, sagte Özdemir.

GEO2203 Feuerökologie

„Vereinfacht ausgedrückt, gibt es in Wäldern mit verschiedenen Baumarten und Altersklassen verschiedene Stockwerke“, erklärt Andreas Bitter. Das sorge für niedrigere Temperaturen und dafür, dass es feuchter bleibt. Und das wiederum senke auch das Risiko ab, dass sich Totholz bei einem Waldbrand entzündet. Auf Twitter fordert auch Peter Wohlleben angesichts der steigenden Waldbrandgefahr „mehr alten Laubwald, mehr dickes Totholz!“

Neben der Speicherung von Wasser hat Totholz im Wald noch eine weitere wichtige Funktion: Es bietet unzähligen Organismen, darunter Pilzen und Insekten, einen Lebensraum. Holz im Wald zu belassen, ist daher für den Schutz der Artenvielfalt unerlässlich.

„Wer jetzt Totholz als Popanz aufbaut und ihm den ‚Brandschutzkrieg‘ erklärt“, sagt Pierre Ibisch, „hat nicht verstanden, dass es in Deutschland Monokulturen und Holzgier sind, die uns das Forstbrandproblem beschert haben.“

Nachrichtenquelle: geo.de

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