Forschung: Gefährliche Winzlinge: Viren können Krebs begünstigen

Krebs ist nicht ansteckend, aber Infektionserreger wie Viren können an seiner Entstehung beteiligt sein. Wie genau dies vonstatten geht, ist allerdings noch nicht bis ins letzte Detail verstanden

Es muss ein Triumph gewesen sein für Harald zur Hausen, als seinem Team zu Beginn der 1980er-Jahre der Nachweis gelang, dass bestimmte Humane Papillomviren (HPV) Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Der Mediziner hatte diesen Zusammenhang bereits 1976 postuliert – von der Fachwelt zunächst belächelt. Zur Hausens Beharrlichkeit wurde 2008 mit dem Nobelpreis für Medizin belohnt. Kurz zuvor kamen bereits erste Impfstoffe gegen HPV zur Anwendung, zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs und weiteren Krebsarten im Genitalbereich sowie im Mund-Rachenraum.

Grundsätzlich ist Krebs selbst nicht ansteckend. Aber einige ansteckende Erreger begünstigen sein Entstehen. Die Weltgesundheitsbehörde führt weltweit 15,4 Prozent aller Tumorerkrankungen auf Infektionen zurück – mit Bakterien, Viren, Parasiten. Rund zehn Prozent der weltweiten Krebsfälle gehen auf Viren zurück.

Viren können Krebs auslösen

Als Harald zur Hausen in den 1960er-Jahren begann, sich mit Tumorviren zu befassen, wusste man bereits, dass Viren beim Menschen Krebs auslösen können. Das Epstein-Barr-Virus (EBV) war das erste bekannte menschliche Tumorvirus: ein Vertreter aus der Familie der Herpesviren, für den bis heute weder ein Impfstoff zur Verfügung steht, noch eine Möglichkeit der Heilung.

GEO 06-2022-Link

Dabei stecken sich mehr als 90 Prozent aller Menschen irgendwann im Leben mit EBV an, etwa beim Küssen. Meist verläuft die Infektion unbemerkt, einige erkranken jedoch am Pfeifferschen Drüsenfieber, was in seltenen Fällen zur Hirnhaut- oder Herzmuskelentzündung führen kann. Epstein-Barr-Viren sind zudem assoziiert mit weltweit rund 120 000 Krebserkrankungen pro Jahr: darunter Blutkrebsarten (B-Zell-Lymphome und Burkitt-Lymphome), sowie Tumoren im Nasen-Rachenraum.

Auf der Suche nach weiteren Krebsviren, beschäftigte sich zur Hausen eingehend mit dem Gebärmutterhalskrebs. Für diese Tumorart gab es bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Hinweise auf einen Zusammenhang mit Sexualkontakten. Heute, auch dank zur Hausens Arbeiten, gelten die von Mensch zu Mensch übertragenen Humanen Papillomviren HPV-16 und HPV-18 als Hauptverursacher dieser Krebsart.

Mehr als 200 HPV-Typen bekannt

Mehr als 200 verschiedene HPV-Typen sind inzwischen bekannt. Einige sind harmlos, andere verursachen Warzen auf der Haut, vielfach auch im Genitalbereich. Zwölf Hochrisiko-Viren lösen jedoch Zellveränderungen aus, die sich zu Krebs entwickeln können. Im Jahr 2018 traf das nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums auf etwa 6000 Frauen und 1700 Männer in Deutschland zu. Die meisten von ihnen erkrankten an Gebärmutterhalskrebs, aber einige auch an Tumoren der Vagina, der Vulva, des Penis, der Analregion oder des Mund-Rachenraums.

Ein Großteil dieser Fälle wäre vermeidbar. Verschiedene Impfstoffe schützen vor Hochrisiko-Typen und damit vor Krebs. In Deutschland stehen ein Impfstoff gegen zwei und einer gegen neun HPV-Typen zur Verfügung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Vakzine für Jungen und Mädchen im Alter von neun bis 14 Jahren.

In Australien zeigt sich bereits der Erfolg der hohen Impfquote von 80 bis 90 Prozent: Seit Einführung des Impfprogramms werden deutlich weniger Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Da diese Variante sehr langsam fortschreitet, werden Daten zum Rückgang tatsächlicher Krebsfälle erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen. In Deutschland sind bislang nur 45 Prozent der 15-jährigen Mädchen vollständig geimpft. Das reicht nicht für einen flächendeckenden Schutz.

Der ewige Kampf gegen den Tumor

Wie Viren letztendlich Krebs begünstigen, ist noch nicht bis ins letzte Detail verstanden. Der Einbau von Virus-DNA in das Erbgut der Wirtszelle kann eine Rolle spielen, aber auch ein defektes Immunsystem, dass es Viren unter anderem erleichtert, sich durchzusetzen. Das ist der Grund dafür, dass Patienten mit der Immunschwäche AIDS im fortgeschrittenen Stadium häufig an sogenannten Kaposi-Sarkomen leiden, bösartigen Hauttumoren, entscheidend mit ausgelöst durch das Humane Herpesvirus 8 (HHV8). Auch chronische Entzündungen sind ein Risikofaktor.

Letzteres gilt etwa für Leberkrebs. „Verschiedene Hepatitisviren, die Entzündungen auslösen, spielen dabei eine bedeutende Rolle“, sagt Ralf Bartenschlager, Virologe am Deutschen Krebsforschungszentrum und an der Universität Heidelberg. Weltweit werden jährlich ungefähr 420 000 Leberkrebs-Fälle von Hepatitis-B-Viren mit verursacht, zusätzlich rund 170 000 Fälle mit Hepatitis-C-Viren. Die beiden Erreger sind zwar nicht miteinander verwandt, lösen aber – übertragen bei Sexualkontakten oder über das Blut – Leberentzündungen aus. Wird eine solche Entzündung chronisch, droht eine Leberzirrhose und in der Folge Krebs.

Hepatitis C ist fast immer heilbar

Hepatitis C ist heute fast immer heilbar, chronische Hepatitis B lässt sich durch Medikamente bislang lediglich in Schach halten. Die Präparate mildern die Leberentzündung und senken somit das Krebsrisiko. Außerdem steht gegen Hepatitis-B-Viren ein Impfstoff zur Verfügung, den die STIKO bereits für Säuglinge empfiehlt. In Taiwan, wo das Virus weit verbreitet war, ist Leberkrebs seit Einführung des Impfprogramms in den 1980er-Jahren sehr stark rückläufig.

Dank moderner Labortechnologien spüren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer weitere neue Viren auf, die den Menschen befallen. Ob sie ihm schaden und zum Beispiel Krebs auslösen, ist aber noch nicht geklärt. In den letzten Jahren hat sich das Team um Harald zur Hausen zusätzlich einer bislang gänzlich unbekannten Erregerart zugewandt: Dabei handelt es sich um sogenannte Plasmide, winzige kreisförmige Gebilde aus Erbgut, die vermutlich von Bakterien stammen und sich in menschlichen Zellen vermehren.

Der Nobelpreisträger zur Hausen vermutet, dass diese – übertragen durch den Genuss von Milch und Rindfleisch – Krebs auslösen können. Der Beweis dafür steht aber noch aus.

Nachrichtenquelle: geo.de

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