Klartraum: Luzides Träumen: Wenn sich Träume steuern lassen
Bewusstes Träumen, also das Beeinflussen und Eingreifen in einen Traum, wird als luzides Träumen bezeichnet. Im so genannten Klartraum wird man im Schlaf selbst zum Regisseur. Die Traumforschung erhofft sich einen Nutzen von der Methode – vor allem, um Albträume behandeln und besser verstehen zu können
Wer hat im wahrsten Sinne des Wortes nicht schon mal davon geträumt: statt gehetzt und panisch im Traum davon zu laufen, sich einfach umzudrehen und die Verfolger mühelos in die Flucht zu schlagen. Im luziden Traum ist das kein Problem. Klartraum heißt das Phänomen im Deutschen und ist durch die Beschreibung definiert.
Luzides Träumen kann erlernt werden
“Klarträume sind solche Träume, in denen man völlige Klarheit darüber besitzt, dass man träumt und nach eigenem Entschluss handeln kann”, erklärt Paul Tholey, Psychologe und führender deutscher Klartraumforscher. Einen Klartraum erleben – diese Fähigkeit hat nach Forscheransicht wahrscheinlich jeder Mensch. Tatsächlich ist es sogar möglich, diese Ebene der Wahrnehmung bewusst zu betreten. Doch dafür braucht es Übung und eine bestimmte Technik.
Wachzustand vermittelt über Sensorik die Realität
Die Traumwelt erscheint den meisten Menschen zunächst real, obwohl ein wichtiger Kreislauf der Realität im Schlaf unterbrochen ist. Im Wachzustand reagieren wir auf die Impulse unserer Sinne und setzten sie in körperliche Aktivität um. Schlafen wir hingegen, ist dieser sensomotorische Schaltkreis unterbrochen.
Hier beginnt die Grenze zwischen normalem Traum und luzidem Traum: Der Klarträumer weiß, dass sein Körper schlafend im Bett liegt und demnach nicht physisch im Traum unterwegs sein kann. Oder anders formuliert: Das Traum-Ich vergisst das Schläfer-Ich nicht.
Klartraum meist in der REM-Phase
Die Folge: Der Schläfer kann im Traum in das Geschehen eingreifen, aktiv Abläufe verändern, Personen oder Szenen in seinem Sinn verändern. Wie der Zustand des Klartraums zustande kommt, ist wissenschaftlich noch nicht erforscht.
Belegt ist aber, dass es den Klartraum gibt. Studien haben gezeigt, dass Klarträume meist in der REM-Phase (Rapid Eye Movement) des Schlafes stattfinden.
“Träume zu verstehen, ist nicht schwer” (449)
Grundlegend bewegen sich die Augenmuskeln in dieser Schlafphase willkürlich. Testpersonen und Traumforscher haben im Fall der Experimente vor dem Einschlafen jedoch bestimmte Augenbewegungen abgesprochen.
Das überraschende Resultat: Die Probandinnen und Probanden waren dazu in der Lage, in ihrer Traumphase die Augen wie abgesprochen zu bewegen und entsprechende Aufgaben in ihre Träume einzubauen – in diesem Fall eine Rechenaufgabe mit dem Ergebnis Zwei und dem zweimaligen, bewussten Lenken der Augen im Traum nach links.
Gehirn zeigt beim Klartraum andere Aktivität
Gleichzeitig wurden bei den Versuchen an der Berliner Charité die Aktivitäten im Gehirn gemessen. Das Resultat: Im Klartraum sind andere Teile des Gehirns aktiv als bei einem normalen Traum.
Vor allem Gehirnteile, die für die Selbsteinschätzung, die Bewertung eigener Gedanken sowie Gefühle und die Selbstwahrnehmung stehen, zeigten bei den Klarträumern erhöhte Aktivität. Ebenso wie der präfrontale Cortex im Gehirn,der für die kritische Bewertung von Ereignissen zuständig ist und im Schlaf normalerweise inaktiv.
Wachzustand im Schlaf: Bewusstsein für Luzides Träumen
Basierend auf den Definitionen und den Forschungen der britischen Philosophin Celia Green sowie des US-amerikanischen Psychologen Charles Tart hat der deutsche Klartraumforscher Paul Tholey den Unterschied zwischen einem normalen Traum und dem luziden Traum (lucid dream im Englischen) an vier Haupt-Punkten festgemacht:
- Klarheit über den Bewusstseinszustand: Der Träumer ist sich klar darüber, dass er träumt
- Entscheidungsfreiheit: Der Träumer kann selbst beeinflussen und entscheiden, ob er beispielsweise vor einer Albtraumfigur wegläuft oder sich ihr entgegenstellt
- Klarheit im Bewusstsein: Kein Trübungs-, Verwirrtheits- oder Dämmerungszustand liegt vor
- Klarheit über das reale Wachleben: Wer ist man und was hat man sich für diesen Traum vorgenommen?
Technik für den Klartraum ist erlernbar
Wie aber ist es nun möglich, in den Zustand des Klartraums zu gelangen? Generell unterscheidet die Forschung hierbei zwei verschiedene Wege: die DILD Technik und die WILD Technik. Während DILD für die Klarheit gewinnende Technik steht, konzentriert sich WILD auf die Klarheit bewahrende Technik. Beide Wortschöpfungen sind Kurzformen aus dem Englischen: Dream Initiated Lucid Dreaming (DILD) und Wake Initiated Lucid Dreaming (WILD).
Bei der DILD Methode macht sich der Träumende aktiv bewusst, dass er nicht mehr wach und damit nicht mehr in der Realität ist. Hierfür reicht schon der bekannte Satz aus Kleists “Prinz von Homburg”: “Träum ich oder wach ich?” aus, der bestenfalls im Laufe des Tages im Wachzustand mehrfach formuliert wird.
Das Ergebnis: Das Gehirn übernimmt den “Reality Check” in den Schlaf. Dem Träumenden wird bei der Abfrage bewusst, dass er schläft. Er geht in den Klartraum über.
Im Gegensatz dazu steht die WILD Methode. Hierbei macht sich der noch wache Mensch seinen Zustand bewusst und auch den bald eintretenden Schlaf. Diese Klarheit bewahrt er sich, während er einschläft und dann zu träumen beginnt.
Der litauische Psychologe Tadas Stumbrys kommt in seiner Forschung an der Heidelberger Universität zu dem Schluss, dass diese Methode weniger überzeugende Ergebnisse hat und auch für Anfänger nicht leicht zu erlernen ist.
Training der Methode im Schlaf
Auch wenn die biologischen Zusammenhänge für das Entstehen des Klartraums noch nicht vollends erforscht sind, zeichnet sich der Nutzen dieser Traumtechnik bereits ab. Wenn Menschen bewusst träumen, können sie beispielsweise Bewegungs- und Trainingsabläufe im Schlaf ausführen – wie der Sportwissenschaftler Daniel Erlacher (Uni Bern) in einer Studie belegt hat. Oder auch der 1998 verstorbene Paul Tholey, der die Abläufe auf Skateboard, Kunstrad oder Snowboard im Klartraum für sich optimierte.
Albträume können positiv verändert werden
Abgesehen von der Möglichkeit, seine eigenen Träume außerdem zum entspannten Spielfeld der eigenen Phantasie zu machen, sieht die Psychotherapie im Klartraum einen Ansatz für die Behandlung von wiederkehrenden Albträumen. Ein Klarträumer könne seine Traumverläufe in eine positive und persönlichkeitsintegrierende Richtung lenken, statt immer wieder bedrohlichen Situationen ausgeliefert zu sein, so die Forschung.
Ein Traumtagebuch kann dabei helfen. Dafür wird der darin aufgeschriebene Albtraum umformuliert und um eine helfende Person ergänzt. Tagsüber wird diese Version des Albtraums mehrfach durchgelesen. Das Gehirn wird auf diese Art sozusagen “umgepolt”. Taucht nachts der Albtraum wieder auf, ist die eingefügte helfende Person im Traum zur Stelle.
Ein Traumtagebuch baut Verbindung zur Realität
Das Traumtagebuch wird als wichtiges Instrument zur Traumkontrolle angesehen. Das Aufschreiben der eigenen Träume erschafft eine Art von Brücke zwischen der Traumwelt und der realen Welt. Das Erkennen der Traumwelt wird dadurch für das Gehirn auf Dauer leichter. Das zeigt allein schon die Forschung des niederländischen Psychologen Frederik Willems van Eeden (1860 bis 1932), der den Begriff Luzides Träumen geprägt hat. In seinem Traumtagebuch hat er insgesamt 352 Klarträume detailliert aufgeschrieben.
Damit wäre Frederik Willems van Eeden mit Sicherheit ein Ehrenbürger bei den australischen Aborigines. Die Ureinwohner glauben von jeher, dass der Traum die Quelle für das Entstehen der Realität ist und somit die Traumzeit an sich die Basis für alles Sein. Was erneut die Frage aufwirft, auf welcher Seite des Bewusstseins sich die Realität befindet und wo der Traum: “Träum ich oder wach ich?”
Nachrichtenquelle: geo.de
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