Fragen und Antworten: Nachhaltige Mode: Was Sie über Bio-Baumwolle wissen müssen

Viele Kleidungsstücke landen als Mikroplastik wieder in der Umwelt. Wer glaubt, mit Baumwolle alles richtig zu machen, liegt allerdings falsch. Wir erklären, wie es nachhaltiger geht

Mikroplastik verschmutzt den Planeten, das haben die meisten mitbekommen. Viele setzen auch deshalb auf Kleidung aus Baumwolle. Sie meiden Pullis, T-Shirts und Blusen aus Synthetik. Doch konventionell angebaute Baumwolle schädigt die Umwelt ebenfalls. Eine Lösung für Umweltbewusste sind Produkte aus Bio-Baumwolle.

Ist Synthetik-Kleidung wirklich so schlecht?

Vor allem zwei Gründe sprechen gegen synthetische Fasern:

  1. Während Baumwolle ein nachwachsender Rohstoff ist, wird zur Herstellung von Synthetik-Kleidung Erdöl verbrannt. Dabei wird CO2 freigesetzt, das den Klimawandel weiter befeuert.
  2. Synthetische Fasern sind nicht biologisch abbaubar. „Synthetik verrottet nicht und wird irgendwann zu Mikroplastik“, sagt Heike Hess vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN).

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Die Industrievereinigung Chemiefaser sieht das naturgemäß etwas anders. Unter Berücksichtigung aller ökologischen Aspekte verhalte sich die Chemiefaser sogar günstiger als Baumwolle, teilt der Verband auf Anfrage mit. So wird etwa argumentiert, dass synthetische Fasern die Agrarflächen entlasten, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden. Auch der geringere Wasserverbrauch wird hervorgehoben.

Heike Hess kennt die Argumente und sagt dennoch: „Wir sehen Synthetik sehr kritisch.“ Es werde zwar öfters behauptet, die CO2-Bilanz von Synthetik-Kleidung sei insgesamt besser. „Aber die Gewinnung des Rohstoffs Erdöl wird dabei ganz ausgeklammert.“

Was gibt es an normaler Baumwolle auszusetzen?

Ein Problem ist in der Tat der hohe Wasserverbrauch wegen übernutzter Böden. Beim konventionellen Anbau von Baumwolle werde der Boden häufig chemisch überdüngt und geschwächt, erklärt Hess.

Diese Begründung nennt auch Nicole Pälicke, Leiterin von People Wear Organic. Das Unternehmen verkauft zertifizierte Baby- und Kinderkleidung aus Bio-Baumwolle. „Der Anbau konventioneller Baumwolle sorgt dafür, dass die Böden geschädigt werden.“

Was läuft beim Anbau von Bio-Baumwolle anders?

„Bio-Baumwolle spart aufgrund der besseren Bodenqualität auf jeden Fall Wasser“, sagt Heike Hess. Das liegt daran, dass der Boden das Wasser besser speichern kann. „Es gibt Beipflanzungen, um Insekten fernzuhalten, es gibt mehr Schatten, und die Erosion ist nicht so stark. Der Boden ist gesünder, es gibt darin mehr Leben.“ Typisch ist auch ein Fruchtwechsel: Das eine Jahr wird Baumwolle angebaut, dann wieder eine andere Pflanze. „Das hält den Boden fruchtbar.“

Außerdem kommt keine Gentechnik bei den Saat- und Düngemitteln zum Einsatz. „Gentechnik ist verboten“, sagt Hess. Unter anderem weil die Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen noch nicht ausreichend klar seien. Und weil sie zu Artensterben führen könnte.

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Beim Anbau von Bio-Baumwolle werden ebenfalls keine chemischen Pestizide und Dünger genutzt. Stattdessen wird laut Hess auf einen geschlossenen Kreislauf gesetzt. „Was an Pflanzenabfällen auf dem Feld anfällt, wird zu Humus und Kompost verarbeitet. Damit wird dann gedüngt.“ Zudem werden keine Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt. Entlaubungsmittel sind außerdem verboten.

Wie finde ich Kleidung aus Bio-Baumwolle?

Verbraucher erkennen anhand verschiedener Siegel, ob Bio-Baumwolle als Rohfaser in einem Kleidungsstück steckt.

  • EU-Bio-Logo (Blatt aus Sternchen): „Das sagt noch nicht viel“, ordnet Hess ein. Denn bei Textilien sei der vorgeschriebene Mindestanteil nicht klar definiert. „Bei der Verwendung von einigen Prozent darf es schon Bio-Baumwolle heißen.“
  • Organic Content Standard von Textil Exchange: Dieses Label verbrieft, dass vom Feld bis zur Kleiderstange ein bestimmter Anteil von Bio-Baumwolle rückverfolgbar ist. „Aber hier ist auch nicht klar definiert, wie hoch der Anteil sein muss“, sagt Hess. „Es gibt Produkte mit 100 Prozent Biobaumwolle, aber das Siegel wird auch ab einem Anteil von 5 Prozent mit den Zusatz „blended“ vergeben.“
  • Global Organic Textile Standard (GOTS): Hier wird die gesamte Produktionskette zertifiziert, nicht nur der Rohstoff. Hier sind laut Hess mindestens 70 Prozent Biofasern vorgeschrieben. Produkte mit dem Zusatz „organic“ bestehen sogar zu 95 Prozent aus Bio-Fasern.
  • Naturtextil BEST: Dieses IVN-Label bekommt Kleidung nur, wenn sie zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle besteht. „Aber im Markt ist das Siegel noch wenig vorhanden“, sagt Hess. Dieses Siegel bewertet darüber hinaus ebenfalls die gesamte Produktionskette des Produkts.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Siegel für Baumwollkleidung, die aber keine Bio-Baumwolle vorschreiben.

Wie nachhaltig ist denn Kleidung aus Bio-Baumwolle wirklich?

Aus Sicht von Heike Hess handelt es sich um die nachhaltigste Möglichkeit, sich zu kleiden – wenn man allein den Rohstoff betrachtet. Doch es gibt ein großes Aber: „In der Produktion können beim Spinnen, Weben, Färben und Nähen natürlich noch ganz viele Umweltsünden passieren.“ Auch sagt der Rohstoff nichts darüber aus, ob die Arbeiterinnen und Arbeiter fair bezahlt werden.

Das Fazit von Hess: „Bio-Baumwolle als Maßstab anzulegen, ist ein guter Anfang, macht aber noch kein nachhaltiges Kleidungsstück.“ Hier gilt es also wieder, auf Siegel zu achten, die möglichst den gesamten Herstellungsprozess als nachhaltig zertifizieren.

Ist Bio-Baumwolle teurer als normale Baumwolle?

Ja und nein. „Ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle müsste per se kaum teurer sein“, erklärt Hess. Bei der Rohfaser betrage der Unterschied vielleicht ein paar Cent. Doch Bio-Baumwolle werde oft für Kleidung genutzt, deren gesamte Produktion nachhaltig sei – und für die zum Beispiel faire Löhne gezahlt werden. „In der Praxis sind qualitativ hochwertige und nachhaltige Produkte also in der Regel teurer.“

Fast-Fashion

Nicole Pälicke von People Wear Organic plädiert dafür, den Nutzen eines nachhaltigen Qualitätsprodukts langfristig zu sehen. „Wenn ein T-Shirt von uns im Handel 14,95 Euro kostet, dann könnten das zwei Kinder tragen und nach Dutzenden Wäschen sieht es immer noch gut aus“, argumentiert sie. „Das Billig-Shirt ist meist nach fünfmal Waschen krumm und schief und aus der Form.“

Die Frage sei immer, wie viel Gegenwert man von dem Produkt bekomme – und unter welchen Bedingungen es produziert worden sei.

Findet schon ein Bewusstseinswandel statt?

„Wenn man den Umfragen Glauben schenkt, findet der statt“, sagt Pälicke. „Wenn man die Entscheidungen an den Kassen sieht, bin ich noch enttäuscht, trotz Wachstum. Es ist noch ein sehr weiter Weg, bis der Anteil von nachhaltiger Bekleidung am Gesamtmarkt relevant wird.“

Vorerst dominiert also weiterhin Fast Fashion, eine sagenhafte Überproduktion günstiger und – wie Kritiker anmerken – auch sehr billiger Kleidung. Das Gegenmodell: weniger und dafür hochwertiger einkaufen. „Es kann nicht sein, dass ein T-Shirt für vier Euro angeboten, gekauft und nur zweimal getragen wird“, sagt Pälicke.

Nachrichtenquelle: geo.de

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