Umstrittene Maßnahme: Jagdlustige Katzen: Stubenarrest für den Artenschutz

Im baden-württembergischen Walldorf-Süd dürfen Stubentiger ab sofort nicht mehr uneingeschränkt ins Freie. Der Grund: brütende Haubenlerchen. Die Vögel sind in Deutschland vom Aussterben bedroht. Bürgermeister und Tierschützer protestieren gegen die „unverhältnismäßige Maßnahme“

Katzen sind die beliebtesten Haustiere der Deutschen. Aus Naturschutzsicht haben sie allerdings einen gravierenden Nachteil: Sie sind gerne unbeaufsichtigt in der Umgebung unterwegs – und interessieren sich unter kulinarischen Gesichtspunkten nicht nur für Mäuse.

Jedes Jahr sollen Schätzungen zufolge Dutzende Millionen Vögel in Gärten und auf Wiesen den Samtpfoten zum Opfer fallen. Leider auch solche, die streng geschützt sind. Haubenlerchen zum Beispiel. Der Rhein-Neckar-Kreis (Baden-Württemberg) hat nun zu einer drastischen Maßnahme gegriffen, um zu verhindern, dass die Haubenlerchen-Population nahe der Stadt Walldorf – die aus nur drei Brutpaaren besteht – nicht von hungrigen Katzen ausgelöscht wird.

Killer-Katzen

Die Katzenbesitzer*innen im südlichen Teil der Stadt sind per Allgemeinverfügung der Unteren Naturschutzbehörde aufgefordert, ab sofort bis Ende August ihre Freigänger zu echten Stubentigern zu machen: Katzen dürfen nicht nach draußen. Auch nicht in den Garten. Bei einem Verstoß droht ein Bußgeld von 500 Euro. Sollte einer der widerrechtlichen Freigänger in diesem Zeitraum eine Haubenlerche erbeuten, wären sogar bis zu 50.000 Euro fällig.

Offenbar nur noch drei Brutpaare in Walldorf Süd

Die drastische Maßnahme ist gleichwohl gut begründet: Die Haubenlerche ist laut Roter Liste sowohl deutschlandweit als auch in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht. Für lokale Populationen der Haubenlerche bestehe ein „sehr hohes Aussterberisiko“. Für den Fortbestand komme es also auf jeden Jungvogel an. Tatsächlich sind besonders junge Haubenlerchen für Katzen eine leichte Beute: Die Vögel brüten und versorgen ihre wochenlang flugunfähigen Jungen am Boden.

Leicht hat sich die Kreisverwaltung die Entscheidung offenbar nicht gemacht. In den vergangenen Jahren, so schreibt der Kreis, habe man verschiedene Maßnahmen ausprobiert – ohne den gewünschten Erfolg. Im vergangenen Jahr kam eine Ultraschall-Anlage zum Einsatz, die durch eine Lichtschranke ausgelöst wurde. In Experimenten habe sich aber gezeigt, dass der Abschre­ckungseffekt auf Katzen nur „moderat“ sei.

Herkömmliche Vorkehrungen dagegen, wie Halsbänder mit Glöckchen, seien „nicht ziel­führend, da die Jungvögel, solange sie flugunfähig sind, nicht die Flucht ergreifen, son­dern in Regungslosigkeit erstarren, was sie zu einer leichten Beute für die Katzen macht.“

Der Kreis hält die Maßnahme für angemessen

Man sei sich darüber im Klaren, heißt es in der Allgemeinverfügung, was man den Halter*innen und den Tieren damit zumute. Der Stubenarrest könne dazu führen, dass sich die Vierbeiner aggressiver verhielten. „Die Tiere“, heißt es, „können sich aber auch zurückziehen und depressiv werden und möglicherweise auch das Fressen verweigern.“ Gleichwohl seien durch die räumliche Begrenzung nur relativ wenige Katzen betroffen.

Trauer bei Tieren

Ausnahmen sind zudem für Katzen möglich, deren Halter*innen anhand von GPS-Daten nachweisen können, dass sie sich nur außerhalb des Brutgebiets aufhalten. Auch das Führen an einer kurzen Leine soll möglich sein. Der Kreis rät für diesen Fall aber dazu, die Tiere an das ungewohnte Geschirr zunächst in der Wohnung zu gewöhnen. Denkbar sei auch, die Katzen im fraglichen Zeitraum bei Bekannten oder Verwandten unterzubringen – oder in einer Tierpension.

„Die gehen an die Tapete oder ans Sofa, sie über mehrere Monate einzusperren, halte ich für realitätsfremd“, protestiert Walldorfs Bürgermeister, Matthias Renschler (FDP), in der Rhein-Neckar-Zeitung. Man solle auf „mildere Mittel“ zurückgreifen. Zudem seien Katzen nicht die einzige Gefahr für die jungen Haubenlerchen. Auch Elstern, Füchse oder Marder sorgten dafür, dass jedes Jahr nur wenige Haubenlerchen überleben.

Nun hat der Tierschutzverein Wiesloch/Walldorf angekündigt, juristisch gegen die Allgemeinverfügung vorgehen zu wollen. Man gebe sein Bestes, um die „unverhältnismäßige“ Maßnahme zu stoppen.

Nachrichtenquelle: geo.de

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