Öl: IEA schlägt radikale Sparmaßnahmen vor – und keiner hört hin

Gemessen an den Vorschlägen der Internationalen Energieagentur sind die freundlichen Einladungen der Bundesregierung zum Energiesparen Beruhigungspillen. Der Dimension des Problems werden sie nicht gerecht

Wenn Olaf Scholz gewusst hätte, dass er fortan an seinem Wort von der „Zeitenwende“ gemessen würde – er hätte es wohl nicht gesagt. „Zeitenwende“, das ist, mehr als zwei Monate nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, vor allem: Wir machen was, aber lieber erst, wenn der Druck unerträglich wird.

Nun ist „unerträglich“ natürlich kein fester Wert. Beispiel Klimapolitik: Die Klimaforschung warnt seit Jahrzehnten vor den unerträglichen, katastrophalen Folgen eines Weiter-So. Passiert ist bislang: viel zu wenig. Die berühmten 1,5 Grad sind schon in Sichtweite. Doch offenbar hält die Bundesregierung die Risiken des Klimawandels für beherrschbar. Und nun der Krieg.

Es scheint vor allem darum zu gehen, Normalität zu simulieren

Die Unabhängigkeit von russischem Gas, von Öl und Kohle, die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern ist – Überraschung! – das Gebot der Stunde. Nur dass jetzt alles wirklich sehr schnell gehen müsste. Aber ein Gasembargo? Für den grünen Wirtschafts- und Klimaminister ein „wirtschaftspolitischer Alptraum“. Stattdessen bittet Robert Habeck die Deutschen lieber unverbindlich um einen etwas sparsameren Umgang mit Energie. Es soll sogar eine Kampagne dazu geben, irgendwann. Ein Öl-Embargo, als Solidaritätsadresse an die vergewaltigte Ukraine, hat die Bundesregierung dagegen wochenlang blockiert. Man kann nur von Glück sagen, dass jetzt Brüssel vorangeht und den gemeinschaftlichen Ausstieg aus russischem Öl vorantreibt.

Man wird den Eindruck nicht los, dass es der deutschen Regierung in der aktuellen Situation vor allem darum geht, Normalität zu simulieren. Statt den Menschen zu erklären, dass und warum der Krieg in der Ukraine den meisten von uns (vergleichsweise mikroskopische) Opfer abverlangt, wird fieberhaft nach alternativen Ölquellen gesucht, steigende Kosten werden mit öffentlichen Mitteln kaschiert, der Verbrauch künstlich hoch gehalten. Und das ist ein Teil des Problems.

„Radikale“ Vorschläge der IEA blieben bislang ungehört

Schon im März hat die Internationale Energieagentur IEA – von der Öffentlichkeit und der Politik weitgehend unbemerkt – einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt, der genau hier ansetzt. Denn das Einsparpotenzial beim Öl und seine Marktwirkung sind enorm. Punkt eins: Tempolimits um mindestens 10 km/h senken. Oder – im Fall von Deutschland – überhaupt erst einmal einführen. Autofreie Sonntage in Städten gehören nach Ansicht der IEA ebenso dazu wie abwechselnde Fahrverbote in Großstädten. Zug statt Flug, Fahrgemeinschaften und mehr Nachdruck bei der Elektromobilität sowieso. Alles in allem könnten „fortgeschrittene Volkswirtschaften“ 2,7 Millionen Barrel sparen – täglich. Ab sofort. Grüner Bereich

Man muss sich das klarmachen: Das sind keine Vorschläge von Öko-Spinnern oder einschlägigen Umweltverbänden. Sondern die einer überstaatlichen Organisation, der gerne mal vorgeworfen wird, den fossilen Energien zu unkritisch gegenüberzustehen. Dabei liegt die Krisenkompetenz in den Genen der IEA: Sie wurde 1974 als Reaktion auf die Ölkrise gegründet.

Wer den Menschen heute noch suggeriert, es gäbe ein Weiter-So, handelt doppelt verantwortungslos. In ihrem Papier stellt die IEA fest: Die Maßnahmen könnten auch dabei helfen, die Mitgliedsstaaten mittel- bis langfristig auf den Kurs der Klimaneutralität bis zur Jahrhundertmitte zu bringen. Stimmt, da war ja noch was.

Nachrichtenquelle: geo.de

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