Schädliche Stoffe: Detox-Kur für Europa: EU-Kommission will Tausende Chemikalien verbieten

Bisphenol und Co.: Bis zu 12.000 Chemikalien könnten in den kommenden Jahren in der EU verboten werden. Weil sie umwelt- und gesundheitsschädlich sind

Es brauchte viele Jahre Protest von Umwelt- und Verbraucherschutverbänden, bis Bisphenol A (BPA) in Kassenbons im Jahr 2020 verboten wurde. Mit gutem Grund: Der Stoff schädigt Fruchtbarkeit und ungeborenes Leben. Heute findet sich in vielen Kassenzetteln Bisphenol S (BPS). Dabei steht der – chemisch ähnliche – Stoff ebenso im Verdacht, hormonell wirksam zu sein.

Bisphenole gehören zu den mengenmäßig am häufigsten hergestellten Chemikalien weltweit. Allein in der EU werden Schätzungen zufolge bis zu eine Million Tonnen jährlich produziert. Und BPA findet sich weiterhin in Sportbekleidung, in Mehrweg-Getränkeflaschen ebenso wie in Plastikgeschirr.

Doch damit könnte bald Schluss sein. Am Montag veröffentlichte die EU-Kommission eine „Roadmap„, mit der innerhalb von Jahren Tausende gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien verboten werden könnten. Darunter auch alle Bisphenole. Das Vorhaben ist Teil der vor rund eineinhalb Jahren von der EU-Kommission vorgestellten Chemikalien-Strategie. Deren Ziel: Schädliche Stoffe sollen in Europa aus Alltagsprodukten wie Spielzeug, Kosmetik, Waschmitteln oder Textilien verbannt werden.

Neu ist an den nun vorgestellten Plänen, dass nicht einzelne Stoffe geprüft, bewertet und gegebenenfalls aus dem Verkehr gezogen werden. Stattdessen werden nun ganze Stoffgruppen nach ihrem gesundheitsschädlichsten Vertreter bewertet – und gegebenenfalls verboten.

Historisch einmaliger Vorgang

Die Umweltorganisation European Environmental Bureau (EEB) begrüßte den Plan. Er sei eine politische Verpflichtung, bestehende Gesetze zu nutzen, um Stoffe, die häufig mit Krebs in Verbindung gebracht werden, zu verbieten. Dies gelte auch für Bisphenole, die häufig in Kunststoffen verwendet würden, aber die menschlichen Hormone störten. Betroffen seien aber beispielsweise auch rund 2000 Stoffe, die in Babyschnullern und anderen Kinderprodukten gefunden werden, ebenso alle Formen von PVC, dem am wenigsten recycelbaren Kunststoff, der große Mengen giftiger Zusatzstoffe enthalte.

Der Verbotsprozess für die Chemikalien werde innerhalb von zwei Jahren beginnen, teilte die EU-Kommission mit. Bis 2030 könnten EEB zufolge bis zu 7000 Stoffe vom Markt genommen sein. Die chemische Industrie geht sogar von bis zu 12.000 Stoffen aus, die von der neuen Strategie betroffen sein könnten.

Schon in der Vergangenheit ging die EU gegen gesundheitsschädliche Stoffe vor – und verbot in den letzten 13 Jahren rund 2000 Chemikalien: mehr als jede andere Staatengemeinschaft. Doch die Aufsichtsbehörden kommen mit ihren Bewertungen einfach nicht mehr hinterher.

Durchschnittlich alle 1,4 Sekunden wird weltweit eine neue Chemikalie entwickelt. Der Umsatz mit chemischen Erzeugnissen hat sich weltweit zwischen der Jahrtausendwende und 2017 mehr als verdoppelt. Und könnte sich bis 2030 noch einmal verdoppeln. Mit gravierenden Folgen: Ein UN-Report beklagt, dass mehr Menschen an Giftstoffen in ihrer Umwelt sterben als an Covid-19. Wissenschaftler warnten zu Anfang des Jahres, dass die Chemieproduktion auf der Erde eine planetare Grenze überschritten habe.

Nachrichtenquelle: geo.de

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