Deutschland: Greenpeace-Studie: Gefährliche Keime in Schlachtabwässern nachgewiesen
In die deutschen Flüsse und Kanäle gelangen über Schlachtabwässer antibiotikaresistente Bakterien. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace
Über die Abwässer aus Schlachtbetrieben gelangen in Deutschland antibiotikaresistente Keime direkt in die Umwelt. Das meldet die Umweltschutzorganisation Greenpeace, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Januar und Februar dieses Jahres an insgesamt vier Schlachtbetrieben in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen Wasserproben entnommen haben.
An jeweils mehreren Tagen wurden Proben an den Stellen genommen, an denen die Abwässer der Schlachthöfe in die umliegenden Gewässer geleitet werden. Das Team entnahm insgesamt 44 Proben, in 35 davon konnte das Institut für Pharmazie der Universität Greifswald multiresistente Keime nachweisen.
Außerdem wurden in acht Proben Resistenzen gegen das wichtige Reserve-Antibiotikum Colistin nachgewiesen. Colistin ist einer der letzten Wirkstoffe gegen bestimmte Infektionskrankheiten beim Menschen. Das Mittel wird nur dann eingesetzt, wenn Patient*innen an einem lebensbedrohlichen Infekt erkrankt sind und andere Antibiotika nicht anschlagen. Der Weltgesundheitsorganisation und dem Bundesinstitut für Risikobewertung zufolge ist dies immer häufiger nötig.
Ähnliche Werte wie bei den aktuellen Proben hatte Greenpeace bereits bei Probenentnahmen im Jahr 2021 gefunden. “Es ist besorgniserregend, dass die Werte trotz unserer Hinweise bis auf einen Standort weitgehend gleichgeblieben sind”, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Christiane Huxdorff.
“Schlachthöfe tragen dazu bei, dass Infektionskrankheiten immer schwerer zu behandeln sind”, so Huxdorff. “Wir alle sind von der ‚schleichenden Pandemie‘ der zunehmenden Unwirksamkeit von Antibiotika betroffen. Sie ist eine Folge der Massentierhaltung, die wir nur in den Griff bekommen, wenn deutlich weniger Tiere deutlich besser gehalten werden.”
Über 1 Million Todesfälle durch Antibiotikaresistenzen pro Jahr
Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt sind eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit, sie gelten als eine der größten globalen Gesundheitsgefahren. Jedes Jahr sterben aktuellen Berechnungen nach mehr als 1,2 Millionen Menschen weltweit an resistenten Bakterien, in Deutschland sind es mehr als 2000 Todesfälle jährlich.
Multiresistente Keime entstehen dort, wo viele Antibiotika eingesetzt werden – etwa in der Massentierhaltung. Die resistenten Bakterien gelangen von dort in die Umwelt – über andere Tiere wie Vögel oder Insekten und über die Gewässer und so wieder zum Menschen.
Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto mehr resistente Keime bilden und verbreiten sich. Beim Menschen können solche Resistenzen die Behandlung von Infektionskrankheiten erschweren, da bestimmte Antibiotika nicht mehr wirken.
Medizin fordert ein Verbot von Colistin in Ställen
Bereits im Jahr 2020 hatte ein Forschungsteam im Auftrag des Bundesforschungsministeriums die Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime in deutschen Gewässern untersucht. Im Abschlussbericht nannten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damals die Verbreitung resistenter Bakterien über das “Abwasser von Geflügel- und Schweineschlachthöfen besorgniserregend”. Gerade der Einsatz von Colistin in den Ställen sei als “kritisch anzusehen”.
Viele Stimmen aus der Medizin fordern deshalb, den Einsatz von Colistin in Tierställen ganz zu verbieten. Besonders für die Geflügelindustrie wäre ein solches Verbot eine Herausforderung, der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft hält den Einsatz Antibiotikums für notwendig – und fordert im Falle eines Verbots die Zulassung von Alternativen. Die Europäische Union will Colistin in der Nutztierhaltung zunächst weiterhin erlauben.
Neben Verbesserungen in der Tierhaltung und dem verminderten Einsatz von Antibiotika in Ställen könnten darüber hinaus Filter oder Reinigungsanlagen an den Schlachthöfen zur Reduktion der Verbreitung von Resistenzen beitragen. Solche technisch verpflichtenden Vorgaben gibt es in Deutschland bislang jedoch nicht.
Nachrichtenquelle: geo.de
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