Düngemittel-Rückstände: Bislang unbekannte Urzeitmikroben reinigen den Bodensee

Bei der Suche nach Organismen, die giftiges Ammonium im See unschädlich machen, sind Forschende nun fündig geworden: Es handelt sich um eine wissenschaftlich noch nicht beschriebene Art von Archeen

Der Bodensee ist nicht nur der größte See Deutschlands – sondern auch der wichtigste Trinkwasserspeicher. Mehr als fünf Millionen Menschen versorgt er mit sauberem Wasser. Doch in den vergangenen Jahren gelangten immer mehr Düngemittel von den angrenzenden Feldern in den See, und mit ihnen giftiges, gasförmiges Ammonium.

Forschende der Universität Konstanz haben jetzt herausgefunden, warum die Wasserqualität trotzdem stabil bleibt: Verantwortlich dafür sind einzellige Lebewesen, so genannte Archeen, die das Ammonium (NH4+) mithilfe von Sauerstoff in Nitrat (HNO3) umwandeln.

Wie das Team im Magazin Multidisciplinary Journal of Microbial Ecology schreibt, haben jahrelange Messungen gezeigt, dass der Ammonium-Gehalt des Wassers in einer Tiefe von 85 Metern plötzlich zurückging. Gleichzeitig fanden sich in Proben aus derselben Tiefe ungewöhnlich viele Archeen. Genetische Analysen zeigten, dass im Bodensee eine bislang unbekannte Archeen-Spezies am Werk ist, die die Forschenden vorläufig auf den Namen Candidatus Nitrosopumilus limneticus tauften.

Das von ihnen freigesetzte Nitrat wird in Stickstoff umgewandelt, der von Pflanzen zum Aufbau von Biomasse genutzt wird – oder in die Atmosphäre entweicht.

Archeen „verarbeiten“ jedes Jahr 1763 Tonnen Ammonium

Archeen sind – genau wie Bakterien – Einzeller ohne Zellkern, aber entwicklungsgeschichtlich ursprünglicher. Manche Arten fühlen sich selbst in hoch konzentrierten Salzlösungen oder bei extremen Temperaturen wohl.

Bei etwa vier Grad Celsius „verarbeiten“ die Einzeller im Bodensee jedes Jahr schätzungsweise 1763 Tonnen Ammonium. Die Gesamtmasse der nützlichen Lebewesen beziffern die Forschenden auf zwölf Prozent des in einem Jahr gebildeten pflanzlichen Planktons.Alpen: Ein Paradies im Wandel

Die herausragende Bedeutung der neu entdeckten Mikroben für den Stoffkreislauf im See könnte allerdings auch auf eine Schwachstelle hindeuten. Denn mit nur einer Art ist die Biodiversität bei den Ammonium-abbauenden Organismen nicht besonders groß. „Das wirft die Frage auf, wie resilient das Ökosystem gegenüber physikalischen und chemischen Veränderungen der Seen angesichts des Klimawandels ist“, schreibt das Team. An seiner Oberfläche ist der See zwischen 1962 und 2014 um 0,9 Grad Celsius wärmer geworden; Forschende gehen von einer weiteren jährlichen Erwärmung um 0,03 Grad aus.

In Deutschland sind es nach Angaben des Umweltbundesamts etwas mehr als zwölf Prozent des Trinkwassers, das aus Seen und Talsperren gewonnen wird.

Nachrichtenquelle: geo.de

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