Tiefenentspannung: Autogenes Training: Wie es wirkt und wie man es erlernen kann

Autogenes Training zählt zu den beliebtesten Entspannungsmethoden. Wer es erlernen will, braucht dafür nichts als sich selbst, eine entspannte Atmung und eine ruhige Umgebung

Mit der Kraft des Geistes den Körper beeinflussen, entspannen und seine Wahrnehmung schärfen – dieses Entspannungsverfahren erfreut sich seit beinahe hundert Jahren reger Beliebtheit. Autogenes Training sorgt durch Selbsthypnose für einen ausgeglichenen Zustand der Seele und des Körpers. Lernen kann die einfache Technik der Entspannung durch Konzentration jeder.

Johannes Heinrich Schultz entdeckt die Selbsthypnose

Es war eher ein Zufall, dass der deutsche Psychiater Johannes Heinrich Schultz die positive Auswirkung des Autogenen Trainings entdeckt hat. In den 1920er Jahren fiel dem Mediziner bei Untersuchungen zur Hypnosetechnik auf, dass einige Patienten offenbar durch eine Art Selbsthypnose in einen tranceähnlichen Zustand fielen.

Körperfunktionen wie Pulsschlag, Atmung und auch die Durchblutung konnten offenbar durch gezieltes Training bewusst beeinflusst werden, anstatt auf äußere Umstände zu reagieren, so die Beobachtung des Mediziners.

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Vorstellungskraft sorgt für Entspannung im Körper

Johannes Heinrich Schultz intensivierte seine Untersuchungen und brachte seine Entdeckung auf den Punkt: Durch das Wiederholen von Wörtern und die bloße Vorstellungskraft lassen sich Funktionen im Körper gezielt beeinflussen. Erste Forschungen dazu hatte der Psychiater schon vor dem Ersten Weltkrieg begonnen.

Im Jahr 1926 schließlich führte Johannes Heinrich Schultz seine Erkenntnisse erstmals in einer Abhandlung über die „Autogenen Organübungen“ zusammen: Aus heutiger Sicht eine Mischung aus Autosuggestion und Entspannung.

Übungen beeinflussen Muskeln und Nervensystem

Dabei wird mit Hilfe wiederholter Formulierungen und Übungen ein Zustand körperlicher Entspannung herbeigeführt, der hauptsächlich für eine Muskel- und Gefäßentspannung sorgt und auf das Nervensystem wirkt.

Tatsächlich können geübte Menschen sich mit Autogenem Training auf Wärme in ihren Armen konzentrieren und mit gesteigerter Durchblutung die Oberflächentemperatur der Haut dort erhöhen. Temperaturkontrollen während solcher Übungen haben das bewiesen.

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Autogenes Training für Psychotherapie und Lebensqualität

Während Johannes Heinrich Schultz seine Methoden zunächst für den Bereich der Psychotherapie ausgearbeitet und gedacht hat, wird Autogenes Training inzwischen auch von gesunden Menschen genutzt – unter anderem, um besser lernen zu können, sportlich leistungsfähiger zu werden, generell eine höhere Lebensqualität zu haben oder Schlafstörungen zu reduzieren, im Beruf erfolgreicher zu sein oder auch als Burn-Out-Prävention.

Wie aber funktioniert nun Autogenes Training, wie ist es lernbar und wie wird es angewendet? Generell teilt sich Autogenes Training in drei Stufen auf:

  • die Grundstufe als Verbindung zum vegetativen Nervensystem
  • die Organübungen, um die Funktion der einzelnen Organe zu verbessern
  • die Oberstufe: Formelhafte Vorsätze beeinflussen unbewusst das eigene Verhalten

Zum Stressabbau, zur Entspannung, für ein besseres Körpergefühl und für die allgemeine Gesundheit wird generell die Grundstufe inklusive der Organübungen angewandt. Die Oberstufe dient der Therapie in der Psychoanalyse und ist eher nicht für die alltägliche Anwendung gedacht. Wer Autogenes Training machen will, braucht dafür nichts als sich selbst, eine ruhige Umgebung und eine kurze Anleitung.

Autogenes Training mit Übungen an jedem Tag

Autogenes Training sollte mindestens zweimal mit den jeweiligen Übungen in den Tagesablauf eingebaut werden. Wichtig ist dabei eine entspannte Haltung. Empfohlen werden eine Übungseinheit in liegender Position auf einer Decke oder einer anderen weichen Unterlage und eine weitere Übungseinheit in sitzender Position auf dem Stuhl.

Wer dreimal am Tag Autogenes Training macht, wechselt die Positionen nach eigenem Geschmack und Wohlgefühl pro Übung. Wenn Sie die letzte Übung des Tages vor dem Einschlafen machen, legen Sie sich sinnvollerweise schon ins Bett, drehen sich nach dem Durchlaufen der Übungen einfach nur noch um und schlafen selig ein.

Gleichmäßige Atmung für Autogenes Training wichtig

Um Autogenes Training erfolgreich, routiniert und sinnvoll anzuwenden, ist regelmäßiges Üben notwendig. Auch der stufenweise Aufbau der Übungen ist sinnvoll. Hierfür sollte pro Woche eine Einheit gezielt und immer wieder trainiert werden.

Die nachfolgende Einheit kommt dann „oben drauf“, sodass die Übungseinheiten aufeinander aufbauen und sich das gesamte Autogene Training entsprechend zeitlich ausdehnt. Pro Übung reichen ein paar Minuten aus.  Schließen Sie für das Training die Augen. Atmen Sie gleichmäßig.

Ein Weg zum inneren Frieden

Wichtig ist, dass die Brust und der Bauch frei atmen können. Mit jeder Übung ist ein bestimmter Satz zusammen mit der Konzentration auf ein bestimmtes Körperteil oder einen körperlichen Zustand verbunden. Die Sätze werden fünf bis sechs Mal laut ausgesprochen wiederholt, bevor zur nächsten Übung übergegangen wird.

Rechter Arm als Einstiegspunkt für die Autosuggestion

Insgesamt gibt es sieben verschiedene Übungen und Autosuggestionen in Satzform. Traditionell wird beim Durchlaufen der Übung „Schwere“ der rechte Arm als Einstiegsszenario gewählt.  Linkshänder können aber auch mit dem linken Arm beginnen.

Durchblutung und Herz werden unterstützt

  • Ruhe (Satz: „Ich bin vollkommen ruhig und entspannt“)
  • Schwere (Satz: „Mein rechter Arm ist ganz schwer“)

Hinweis: Inzwischen wird die Schwere-Übung gern für den gesamten Körper angewandt und nicht nur wie ursprünglich für den rechten Arm. Die Folgesätze wären also: „Mein linker Arm ist ganz schwer“, „Mein rechtes Bein ist ganz schwer“, „Mein linkes Bein ist ganz schwer“ und „Mein ganzer Körper ist schwer.“

  • Wärme (Satz: „Mein rechter Arm ist angenehm warm“ mit entsprechenden Folgesätzen siehe oben)
  • Atem (Satz: „Mein Atem geht ruhig und gleichmäßig“)
  • Herz (Satz: „Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig“)
  • Sonnengeflecht (Satz: Mein Sonnengeflecht (mein Bauch/mein Leib) ist strömend warm“
  • Stirn (Satz: „Mein Stirn/mein Kopf ist angenehm kühl“ – nur drei Wiederholungen pro Übung empfohlen)

Insgesamt umfasst das vollständige Autogene Training also sieben einzelne Einheiten, die aufeinander aufbauen. Das bedeutet in der Abfolge in der ersten Woche die Übung „Ruhe“. In der zweiten Woche die Übung „Ruhe“  und die Übung „Schwere“. In der dritten Woche die Übung „Ruhe“, „Schwere“ und „Wärme“ und so weiter.

Den Satz: „Ich bin ganz ruhig und entspannt“ können Sie gut immer wieder zwischen den einzelnen Übungen einschieben. Sollten Sie selbst eigene Suggestionen und Ziele zwischen den Übungen einfügen, dann sollten diese Sätze kurz sein – wie zum Beispiel: „Mein Atem geht ruhig und gleichmäßig. Ich werde diese Krise überwinden.“

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Wiederholen der Übungen sorgt für Erfolg

Ein Tipp: Lassen Sie sich nicht frustrieren, wenn der gewünschte Effekt und das damit verbundene Gefühl nicht sofort eintritt. Es braucht etwas Übung, bis die Autosuggestion wirkt. Schließlich ist das für die meisten Menschen ein völlig neues Feld. Manchmal hilft es, die bildhafte Vorstellung mit einem zusätzlichen Bild zu unterstützen – wie zum Beispiel: „Mein rechter Arm ist schwer wie Blei.“

Wichtig ist auerdem, dass Sie Ihr Autogenes Training nicht nur regelmäßig machen, sondern auch gezielt und mit einem Ritual beenden. Eine gute Möglichkeit ist, am Ende der durchlaufenen Trainingseinheit, die Fäuste mehrfach zu ballen. Beugen und strecken Sie anschließend ein paar Mal die Arme und sagen sich dann: „Augen auf, Arm vollkommen normal. Hellwach und zurück im Hier und Jetzt.“

Störungen von außen bei den Übungen vermeiden

Wichtig ist, dass Sie Störungen von außen während Ihres Autogenen Trainings vermeiden. Sollten es doch etwas geben, das Sie stört, sagen Sie sich ganz einfach „Ich fühle mich nicht gestört“. Sie werden sehen, dass es funktioniert. Und das Beste daran: Es funktioniert nicht nur beim Autogenen Training, sondern auch in der Außenwelt – wenn Sie plötzlich bei Arbeitskollegen, Freunden oder Bekannten in Stress-Situationen für erstaunte Gesichter sorgen und sich einfach zurücklehnen: „Ich bin vollkommen ruhig und entspannt.“

Nachrichtenquelle: geo.de

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