Schiffsschrauben und Fressfeinde: Trotz aufwendiger Projekte sinkt die Zahl der Lachse im Rhein

Lachse schwimmen Hunderte Kilometer, um vom Atlantik zu ihren Kinderstuben im Rhein zurückzukehren. Trotz aufwendiger Projekte für ihre Wiederansiedlung scheint die Zahl der springfreudigen Fische in dem Fluss wieder zu sinken. Wohl aus verschiedenen Gründen

Im einst wohl wichtigsten Lachsfluss Europas sterben die Wanderfische Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Überfischung, Wasserverschmutzung, Staustufen und Wasserkraftwerke machen ihnen im Rhein damals den Garaus. Ende der 80er Jahre beginnen Programme zur Wiederansiedlung von Lachsen. Neue Kläranlagen verbessern die Wasserqualität. Schließlich wandern zur Freude von Naturschützern wieder jedes Jahr Hunderte Lachse aus dem Atlantik ins Rheineinzugsgebiet, um hier in der kalten Jahreszeit zu laichen. Doch seit etwa 10 bis 15 Jahren scheint ihre Zahl wieder insgesamt zu sinken. Klimawandel, Niedrigwasser, Schiffsschrauben, Fressfeinde, Querbauwerke – all dies spielt wohl eine Rolle. Noch ist nicht alles erforscht. Hinzu kommen könnten laut Experten für Lachse ungünstige Entwicklungen im Atlantik wie etwa mehr Krankheiten und Parasiten.

Laut dem Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau können die Wanderfische noch nicht ohne Unterstützung im Rhein überleben: „Über eine Million Besatzfische werden jährlich in zahlreichen Besatzmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg besetzt.“ Hinzu kommen Wiederansiedlungen in der Schweiz und im Elsass. Es handelt sich laut dem Uni-Institut um „sehr kosten- und arbeitsintensive“ Aktionen. Dennoch sinkt insgesamt die Zahl der registrierten Rhein-Lachse, die nach ihrem Ausflug in den Atlantik wieder in ihr Heimatgewässer zurückkehren. Ein neues genetisches Monitoring aller für den Rhein gezüchteten Lachse, das Projekt „GeMoLaR“ der Uni Koblenz-Landau, soll detailliertere Erkenntnisse für die Wiederansiedlung bringen.

Füchsin Sophie

Jörg Schneider vom Büro für fisch- und gewässerökologische Studien in Frankfurt hat seine Doktorarbeit über den Lachs geschrieben, der einst als wichtigster Fisch der Berufsfischer von der niederländischen Rheinmündung bis zum Schweizer Rheinfall galt. Der Biologe sagt, dieses weit wandernde Tier sei mit seinen hohen Ansprüchen an geeignete Lebensräume „ein guter Indikator auch für andere Arten. Wenn der Lachs in Schwierigkeiten gerät, ist das ein Hinweis, dass ein ganzes Ökosystem betroffen sein kann.“

Der Klimawandel macht Lachsen laut Schneider auf unterschiedliche Art zu schaffen. Etwa mit häufigerem Niedrigwasser des Rheins, besonders extrem im Sommer 2018: „Dann wird die Fahrrinne für Schiffe schmaler und Fische haben weniger Platz.“ Vom gewaltigen Sog großer Frachter könnten Lachse hier leichter in die Schiffsschrauben gezogen werden. „Das ist noch viel zu wenig erforscht“, sagt Schneider. Hinzu komme der häufige Tod von Lachsen in den Turbinen von Wasserkraftwerken.

Wer hingegen vom Klimawandel profitiert, ist der Wels, der größte Fisch im Rhein – Fressfeind der Lachse. Auch Kraftwerke und weniger Schneeschmelze in den Alpen sorgen für eine Erwärmung von Europas wichtigster Binnenwasserstraße. „Welse brauchen 20 bis 22 Grad Wassertemperatur für ihre Vermehrung“, erklärt Schneider. „Ihr Bestand im Rhein hat in den letzten Jahrzehnten sehr stark zugenommen.“ Die bis zu drei Meter langen erwachsenen Exemplare hätten hier selbst keine Fressfeinde. „Welse passen sich an: An jedem Fischpass im Oberrhein und in großen Nebenflüssen lauern sie, weil dort unter anderem Lachse aufsteigen“, sagt der Biologe.

Auch die Zahl der Kormorane habe am Rhein und an vielen Nebenflüssen seit Ende der 90er Jahre „exorbitant zugenommen“. Vermutlich seien die schwarzen Wasservögel, die vor 100 Jahren nach starker Bejagung hierzulande als ausgerottet galten, inzwischen erfolgreiche Kulturfolger. „Sie jagen auf Sicht und sehen junge abwandernde Lachse gut, weil diese dicht unter der Wasseroberfläche schwimmen“, erläutert Schneider.

Etliche Staustufen bekommen Fischpässe

Darüber hinaus hat nach seinen Worten neben zufälligen Beifängen bei den streng geschützten Lachsen auch die Fischwilderei, also das Schwarzangeln erheblich zugenommen – in Deutschland, vor allem aber im niederländischen Deltarhein. In dem Nachbarland gebe es verstärkt Hinweise auf illegal angebotene Lachse auf Fischmärkten.

Der Leiter des Sekretariats der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) in Koblenz, Marc Daniel Heintz, bestätigt ein „Multifaktorenproblem“ der Lachse und ihre insgesamt sinkende Zahl. Er hoffe auf den Erfolg auch der zahlreichen Baumaßnahmen für Wanderfische. Seit 2018 stünden ein oder mehrere Tore im niederländischen Haringvlietdamm im Rheinmündungsgebiet auch bei Flut für Fische offen. Bis 2027 sollen laut Heintz weitere drei Staustufen im Oberrhein – Rhinau, Marckolsheim und Vogelgrün – Fischpässe bekommen, damit Lachs und Co wieder wie ganz früher auch in der Schweiz Laichgebiete erreichen könnten. Die Staustufen Iffezheim, Gambsheim, Straßburg und Gerstheim seien bereits fischdurchlässig.

„Ein Drittel der früheren Lachskinderstuben im Rheineinzugsgebiet ist für diese Wanderfische derzeit erreichbar. Zwei Drittel sind die Zielmarke bei „Rhein 2040″“, erklärt Heintz. Zu diesem internationalen Programm gehört neben der Beseitigung von Hemmnissen für Wanderfische auch die Verringerung von Mikroverunreinigungen etwa mit Pflanzenschutzmitteln, Medikamenten und Röntgenkontrastmitteln um mindestens 30 Prozent bis 2040.

Nachrichtenquelle: geo.de

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