Xenotransplantation: Schweineherz-Transplantation: "Meilenstein" mit gemischten Gefühlen

Kürzlich wurde erstmals einem Menschen ein Schweineherz eingesetzt: Der Patient lebt, das Schwein ist tot. Aber ist es eigentlich noch zeitgemäß, menschliche Lebenszeit bedingungslos über tierische zu stellen?

In der vergangenen Woche sorgte eine Schlagzeile für Furore, die bei vielen Menschen anerkennende Bewunderung und Gruselgefühle gleichermaßen ausgelöst haben dürfte: „Mediziner setzen erstmals einem Patienten ein Schweineherz ein„.

Der Bewunderungs-Anteil bezieht sich natürlich auf die medizinische Leistung: Das Herz eines 57-Jährigen gegen das eines Schweins auszutauschen, ohne dass der Patient sofort stirbt, ist keine Kleinigkeit. Transplantationsmediziner sprechen von einem „Meilenstein“.

Die Gruselempfindungen allerdings sind schwerer zu entwirren. Da ist zum einen die Vorstellung, dass nach der OP ein entscheidender Teil des menschlichen Körpers einmal zu einem nicht-menschlichen Tier gehörte. Dagegen sträubt sich das Gefühl. Zudem ist klar: Der Patient hätte bei der OP sterben können. Es ging für ihn um alles. Und sein weiteres Schicksal ist alles andere als gewiss. Etwas Drittes wird meist gar nicht erst in den Blick genommen: Das Herz, das die Mediziner dem Fotografen vor der Transplantation präsentierten, schlug einmal in einem lebenden, gesunden, Schmerz und Angst empfindenden Wesen, das für ein Experiment getötet wurde. Das wirft Fragen auf.

Bei der Organtransplantation von Mensch zu Mensch geht es darum, dass ein gesunder Mensch ein Organ spendet, das nicht überlebenswichtig ist, etwa eine der beiden Nieren – oder dass Organe einem soeben Verstorbenen entnommen und verpflanzt werden. Beides, wohlgemerkt, mit dem erklärten Willen beider Seiten. Bei der Xenotransplantation ist das anders. Hier braucht es nur das Einverständnis des Empfängers. (Der sich, wie im aktuellen Fall, nur zwischen dem absehbaren Tod auf der einen und einem Aufschub von unbekannter Dauer entscheiden kann.)

Man kann nun belächeln, dass sich Tierschützer angesichts der enormen medizinischen Leistung und der Rettung eines Menschenlebens (zumindest fürs Erste) über ein getötetes Schwein aufregen. Schließlich sterben allein in deutschen Schlachthöfen jährlich 53 Millionen von ihnen. Die werden ja auch nicht gefragt.

Versuchstiere „dem Versuchsplan gemäß“ getötet

Aber so einfach ist es nicht. Denn für die Vorarbeiten zu diesem Experiment starben schon zahllose Tiere – selbstverständlich gegen ihren Willen, und ohne durch ihr unfreiwilliges Opfer ein einziges Leben gerettet zu haben. Zum Beispiel in den Laboren des LMU-Klinikums in München, wo – nach jahrzehntelangen Vorstudien – 2018 erstmals die Transplantation von Schweineherzen in Affen gelungen ist. Wobei „gelungen“ meint: Von insgesamt 14 Pavianen überlebten zwei Tiere mehr als sechs Monate, um dann „dem Versuchsplan gemäß“ getötet zu werden. In diesen Experimenten, so berichten die „Ärzte gegen Tierversuche“, erhalten die Tiere einen Cocktail aus Medikamenten mit schweren Nebenwirkungen. „Trotzdem sterben die meisten Affen bereits nach Stunden oder wenigen Tagen qualvoll an Organversagen.“Grüner Bereich

Es mag aus medizinischer Sicht verlockend klingen, den Mangel an Spenderorganen durch lebende, genetisch manipulierte Ersatzteillager zu schließen. Und es ist verständlich, dass Meldungen über „gelungene“ Versuche bei Menschen, die teilweise seit Jahren auf ein Spenderorgan warten, Hoffnung wecken.

Aber in der Gesellschaft vollzieht sich gerade ein Wandel. Immer mehr Tieren werden Schmerzempfinden, Gefühle, komplexes Verhalten, eine Persönlichkeit – und sogar Selbstbewusstsein zuerkannt. Die Rechtsprechung verändert sich, immer öfter werden Tieren – noch sind es vor allem Menschenaffen – individuelle Rechte zuerkannt, die sich bislang Homo sapiens vorbehalten hat. Darunter das Recht auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit. Und es sieht nicht so aus, als sei das nur eine vorübergehende Mode.

Statt dem eigenen Zweck jedes tierische Recht auf Leben unterzuordnen, muss sich die medizinische Forschung diesem gesellschaftlichen Wandel stellen. Und Krankheitsprävention ebenso wie tierversuchsfreie Innovationen bei den Therapieverfahren voranbringen.

Nachrichtenquelle: geo.de

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