Meister der Täuschung: Hermeline wirken possierlich – sind aber gewieft und wenig zimperlich

Wenn ein Hermelin durch die Winterlandschaft huscht, ist es fast unsichtbar und seine Gegner haben kaum eine Chance, ihm zu entkommen

Das Hermelin ist ein Meister der Täuschung, listig und gut getarnt. Als eines von wenigen Tieren in Deutschland wechselt es zweimal im Jahr seine Garderobe, um sich unerkannt durch die Natur zu bewegen, geradezu unsichtbar. In den warmen Monaten trägt es am Rücken einen braunen Pelz, ideal, um sich nahe am Boden zu verstecken, im Laub am Waldrand oder im Reisig unter einem Gebüsch.

Doch wenn es kälter wird im Jahr, die Tage kürzer werden, beginnt der Fellwechsel: Vom Bauch aus (der immer weiß bleibt) weicht der braune Pelz zum Rücken hin nach und nach immer mehr dem hellen — bis der ganze Körper, kaum länger als ein Schullineal, weiß ist.

Winterschlaf

Wenn es durch eine Winterlandschaft huscht, dann ist es so, als würde das Hermelin mit seiner Umgebung verschmelzen. Ungesehen kann es sich an seine Beute, etwa eine Maus, heranpirschen und erst im letzten Moment wendig hinterherjagen und zupacken.

Einzig die Spitze des Schwanzes bleibt schwarz; ein weiterer Trick, um zu täuschen: Wenn sie zuckt, mag es einem Bussard oder Fuchs aus der Distanz erscheinen, als wäre sie ein kleines Tier. Wenn die großen Räuber dann hungrig herbeistürzen, bekommen sie wahrscheinlich nur ein Büschel Haare zu fassen — und das Hermelin entwischt in die Schneelandschaft.

Bei Eiseskälte auf der Pirsch

Manchmal führt ein Hermelin einen wilden Tanz auf: Es schlägt Haken und Saltos, rennt hin und her. All das ist eine List, mit der es seine Beute zu übertölpeln versucht
Manchmal führt ein Hermelin einen wilden Tanz auf: Es schlägt Haken und Saltos, rennt hin und her. All das ist eine List, mit der es seine Beute zu übertölpeln versucht
© Naturecolors / Adobe Stock

Im Gegensatz zu anderen kleinen Säugetieren, die bei uns heimisch sind, fallen Hermeline nicht in Winterschlaf. Selbst bei eisiger Kälte ist das Pelztier auf der Pirsch, immer auf der Suche nach Essbarem.

Ähnlich wie bei Eisbären wird es durch sein Fell gewärmt. Jedes Haar ist dick und für sich genommen farb­los. Statt farbigen Pigmenten ist Luft darin eingeschlossen, die den kleinen Leib isoliert und vor Auskühlung bewahrt. So hat es immer genug Wärme­energie zur Verfügung, um sich flink zu bewegen.

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Der Stoffwechsel des Hermelins arbeitet so schnell, dass ein Tier pro Tag Futter von der Menge eines Drittels seines eigenen Körpergewichts fressen muss. Mehrere Hundert Mal in der Minute schlägt sein Herz. Verglichen mit anderen heimischen Raubtieren wie etwa Wildkatzen lebt das Hermelin also gleichsam auf der Überholspur.

Ein lang gezogener, schmaler Rumpf, eine kurze Schnauze und kleine Ohren: Der Körperbau des Hermelins zeigt, dass es zur großen Tierfamilie der Marder gehört, so wie auch Nerz, Iltis und Dachs. Das Hermelin ist in Mitteleuropa — abgesehen vom Mauswiesel — der kleinste Vertreter dieser Pelztiere.

Hase in Hochform

Doch mögen sie auch harmlos wirken, geradezu possierlich: Hermeline sind äußerst raffinierte und wenig zimperliche Jäger. Nicht selten erlegen sie auch Kaninchen, obwohl die größer und weitaus schwerer sind als sie selbst.

Oft übertölpelt das Hermelin die Nager mit einem geradezu arglistigen Trick: Demonstrativ stellt es sich zur Schau. Keck pflanzt es sich auf den Hinterbeinen auf, hopst in die Höhe, schlägt Haken und Saltos, rennt wie wild geworden hin und her. Es führt einen regelrechten Tanz auf, furios und rasend schnell.

Die Kapriolen sind derart ungestüm, dass sie ein Kaninchen offenbar zutiefst verwirren können. Erstarrt bleibt es dann hocken und verfolgt gebannt, wie das Hermelin sich gebärdet — statt eilig die Flucht zu ergreifen.

Das tobende Raubtier handelt derweil mit Kalkül: Bei seiner kuriosen Darbietung kommt es unmerklich immer näher. Und schließlich genügen ihm nur noch ein paar große Sprünge sowie ein kräftiger Biss in den Nacken, um den Genarrten zu überwältigen.

Weiß wie die Unschuld

Je nach Jahreszeit trägt ein Hermelin andere Garde­robe: reinweiß im Winter, weiß-braun im Sommer
Je nach Jahreszeit trägt ein Hermelin andere Garde­robe: reinweiß im Winter, weiß-braun im Sommer
© hakoar / Adobe Stock

Die geschickte Tarnung und die gewieften Jagdstrategien machten das Hermelin so erfolgreich, dass es heute in vielen Naturräumen zu Hause ist, in Feldern und Wiesen, Gebüschen und an Waldrändern.

Es kommt in Kanada und in den USA vor, in Grönland, Russland und Japan. Auch bei uns in Deutschland ist es keineswegs rar, zehntausendfach huschen Hermeline durch unsere Natur.

Aufgepasst!

Meist sind sie dabei allein. Als Einzelgänger verteidigen sie ihr Revier, das bis zu 200 Hektar groß werden kann. Nur zur Paarungszeit kommen sie zusammen, um sich zu vermehren: im Sommer, wenn Männchen und Weibchen sich an reichlich Mäusen, Maulwürfen und kleinen Vögeln sattfressen können und nicht um knappe Ressourcen kämpfen müssen wie im Winter.

Trotzdem gilt das Hermelin vielen als Seltenheit. Vielleicht, weil ein schneeweißes Fell eine Rarität ist im Tierreich. Vor allem im Mittelalter versuchten Menschen, Hermeline in den kalten Monaten zu erlegen. Das edle Fell galt als Zeichen von moralischer Reinheit und Unschuld, war allein dem höchsten Adel vorbehalten, den Päpsten, Kaisern und Königen. Noch 1953 trug Queen Elisabeth II. zu ihrer Krönung einen Pelzumhang aus mehr als 1000 Hermelinfellen.

Doch aller Habsucht des Menschen zum Trotz hat das Hermelin sich behauptet. Und obwohl Landwirtschaft und Flächenversiegelung heute seinen natürlichen Lebensraum verknappen, haben Wanderer in Deutschland gute Chancen, ein Hermelin in der Natur zu Gesicht zu bekommen.

Dafür müssen sie nur geduldig sein — und dürfen sich von dem klugen Jäger nicht täuschen lassen.

Nachrichtenquelle: geo.de

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