Weihnachtsfest 1912: Das Frauen-Komitee, das Weihnachten von unnützen Geschenken befreien wollte

Kampf gegen den Geschenke-Wahn: 1912 formiert sich in New York die „Gesellschaft zur Verhütung nutzlosen Schenkens“, angetrieben von dem Broadway-Star Eleanor Belmont. Ihre Botschaft ist heute aktueller denn je

Und, haben Sie auch ein paar Geschenke unter dem Weihnachtsbaum gefunden, mit denen Sie nichts anfangen können? Was bloß tun? Weiterverschenken? Verkaufen? Im Keller oder auch dem Dachboden zwischenlagern? Wegschmeißen?

Fragen, die sich Beschenkte schon seit mehr als 100 Jahren stellen. 1912 wollte eine Gruppe amerikanischer Frauen dem Geschenke-Wahn ein Ende setzen – und zog gegen Konsumsucht und die Kommerzialisierung von Weihnachten ins Feld.

„Weihnachten steht nicht mehr für Liebe. Es steht für Dollars“

New York, Mitte November 1912: Der Wohltätigkeitsverein „Vacation Savings Fund“, in den arbeitende Frauen einzahlen, um sich in Erholungsheimen ein paar Tage ohne Männer entspannen zu können, ist alarmiert. In der Vorweihnachtszeit brechen die Einzahlungen ein – weil die Frauen das Geld für Geschenke benötigen. Und zwar für ihre, meist männlichen, Vorgesetzten.

Dieser Brauch hat sich 1912 so weit etabliert, dass von Angestellten mehr oder weniger erwartet wird, den Chef oder die Chefin zu beschenken. Bis zu zwei Wochengehälter geben Frauen dafür aus, statt das Geld für ihre Familie und Kinder zu verwenden. Eine Gegenleistung wie Weihnachtsgeld gibt es nicht. Wenn überhaupt, bekommen die Frauen als Dankeschön billiges Parfüm.

Es ist eine Gepflogenheit, mit der das bekannteste „Vacation Savings Fund“-Mitglied aufräumen will: Eleanor Belmont, eine äußerst vermögende, berühmte Broadway-Schauspielerin und Philanthropin. „Weihnachten steht nicht mehr für Liebe. Es steht für Dollars“, kritisiert sie – und ruft auf einer Veranstaltung Frauen auf: „Gebt, ohne dafür etwas zurückzuerwarten. Macht Euch mehr Gedanken über das, was Ihr schenkt. Kümmert Euch um Eure Nachbarn und lasst daraus einen Weihnachtsbrauch werden. Und wenn Ihr von nützlichen Geschenken sprecht, denkt daran, dass diese auch immaterieller Natur sein können. Hilfe ist ein sehr nützliches Geschenk.“

Frauen an die Macht

Belmonts Aufruf ist der Gründungsakt der „Gesellschaft zur Verhütung nutzlosen Schenkens“, englisch „Society for the Prevention of Useless Giving“, kurz Spug. Die New York Times schreibt denn auch: „Seien Sie ein Spug und stoppen Sie das törichte Weihnachts-Schenken!“. Offenbar trifft die neue Gesellschaft den Nerv der Zeit. Überall in New York tun sich Frauen zusammen, entwerfen „Sind Sie ein Spug?“-Schilder und werben Mitglieder an. Diese erhalten für jährlich zehn Cent eine Vereins-Anstecknadel.

Auf den gemeinsamen Treffen besprechen die Frauen die besten Umsonst-Geschenkideen – und diskutieren, wie sich das eingesparte Geld am besten für Familie und Kinder verwenden lässt.

Zahlreiche Geschäfte nehmen sich die "Society for the Prevention of Useless Giving" (Spug) zum Vorbild. "Sind Sie ein Spug?", fragt die Reklame von 1912 – und bewirbt nachhaltige Gebrauchsgegenstände, die lange halten
Zahlreiche Geschäfte nehmen sich die „Society for the Prevention of Useless Giving“ (Spug) zum Vorbild. „Sind Sie ein Spug?“, fragt die Reklame von 1912 – und bewirbt nachhaltige Gebrauchsgegenstände, die lange halten
© The Evening World

Von Anfang an geht es der „Gesellschaft zur Verhütung nutzlosen Schenkens“ aber um mehr als nur Weihnachten, schlägt Eleanor Belmont doch den Bogen zur Frauenbewegung. „Haben Sie jemals daran gedacht, dass wahre Unabhängigkeit oft darin besteht, den Mut zu haben, zur richtigen Zeit ‚Nein‘ zu sagen?“, fragt sie die Frauen. ‚Nein‘ nicht nur zum Konsumrausch, sondern auch zu Ungleichbehandlung und Unterdrückung durch das Patriarchat.

Trotzdem schließen sich auch immer mehr Männer der Spug an. Bekanntester Unterstützer ist niemand geringeres als US-Präsident Theodore Roosevelt. Innerhalb kürzester Zeit gewinnt die Weihnachts-Bewegung 6000 Mitglieder.

Doch so fulminant die „Gesellschaft zur Verhütung nutzlosen Schenkens“ entsteht, so schnell zerfällt sie auch wieder. Im Ersten Weltkrieg haben die Menschen andere Sorgen als unnütze Weihnachtsgeschenke. Heute dagegen ist Belmonts Ansinnen vom nachhaltigen Schenken aktueller denn je.  

Nachrichtenquelle: geo.de

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