Retouren: Ein neues Gesetz sollte die Vernichtung von Neuware stoppen – was hat es gebracht?

Recherchen deckten 2018 auf: Online-Händler vernichten im großen Stil Retouren. Ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz sollte 2020 Abhilfe schaffen. Mit Erfolg? Wir haben nachgefragt

Die Empörung war groß, als 2018 bekannt wurde, wie manche Online-Händler mit vielen Retouren verfahren: Sie schreddern sie. Nagelneue Unterhaltungselektronik, Schuhe, Bekleidung: Statt die Artikel wieder in den Handel zu bringen – oder zu spenden – wurden sie in großem Umfang einfach vernichtet. Weil es für die Unternehmen billiger ist.

Aufgedeckt wurde diese umwelt- und klimaschädliche Praxis vom ZDF-Magazin „Frontal 21“ und der „Wirtschaftswoche“. Im Fokus damals: Der Online-Händler Amazon. Dass das Problem aber den gesamten Online-Handel betrifft, zeigen Untersuchungen der Universität Bayreuth. Anfang 2019 berichtete ein Team um den Betriebswirtschaftler Björn Asdecker, dass allein im Jahr 2018 fast 20 Millionen Artikel vernichtet wurden, die als Retoure zurückgeschickt worden waren.Onlinehandel Artikel

Was nicht nur aus Gründen der Ressourceneffizienz Unsinn ist: Schätzungen der Forscher*innen zufolge verursachen Retouren in Deutschland jährlich Emissionen in Höhe von mindestens 238.000 Tonnen CO2-Äquivalenten.

Das Bundesumweltministerium schaltete sich ein, eine Ergänzung im Kreislaufwirtschaftsgesetz sollte Abhilfe schaffen. Im Oktober 2020 trat das Gesetz in Kraft.

Neuwertige Schuhe landen im Schredder

Ist heute – knapp ein Jahr später – das Problem behoben? Offenbar nicht. Darauf deuten Recherchen des NDR, der „ZEIT“ und der „Flip“-Redaktion hin. Das Journalistenteam kaufte im Webshop des Sportbekleidungsherstellers Nike ein paar Sportschuhe, versah sie mit einem GPS-Tracker und schickte sie als Retoure an den Hersteller zurück. Das „Bewegungsprofil“ der zurückgesandten Schuhe zeigte: Die nagelneuen, ungetragenen Schuhe landeten in einer Recyclingfabrik im belgischen Herenthout. Hier werden nach den Recherchen der Journalist*innen getragene ebenso wie ungetragene Schuhe zum Beispiel zu Sportplatzbelägen verarbeitet. Nike dementierte umgehend.

Besonders pikant: Der renommierte Hersteller versucht sich mit seinem Recyclingprogramm ein nachhaltiges Image zu geben. Das Bundesministerium für Umwelt (BMU) kommentiert: Der Konzern verstoße damit „möglicherweise“ gegen deutsches Recht. „Gemäß der Abfallhierarchie“, sagt ein BMU-Sprecher, „hat die Abfallvermeidung oberste Priorität und Vorrang vor allen anderen Entsorgungsmaßnahmen wie beispielsweise Recycling“.

Mehr Online-Handel, mehr Retouren – weniger Vernichtung?

Das Problem: Der Online-Handel boomt weiterhin, seit fast zwei Jahren zusätzlich befeuert durch die Covid-19-Pandemie. Und die Rücksendequote ist weiterhin hoch, besonders in Deutschland. Björn Asdecker und sein Team schätzen, dass jährlich rund 250 Millionen Retourenpakete durch die Republik reisen – fast ein Drittel aller Bestellungen. Gleichzeitig sind die Lagerkapazitäten unverändert begrenzt, die Kosten der Lagerung unverändert hoch.

Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz der damaligen Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist angesichts solcher Trends zahnlos, wie Bettina Hoffmann im April 2021 gegenüber der ARD beklagte: „Es fehlt bis heute jegliche rechtliche Handhabe, um die Vernichtung von Waren zu stoppen“, sagte die Sprecherin der Grünen für Umweltpolitik. „Die Umweltministerin rühmt sich mit einem Paragraphen, der nicht mehr ist als eine freundliche Erinnerung an die Hersteller, ihrer Produktverantwortung gerecht zu werden.“

Was immer noch fehlt, ist neben der neu verankerten „Obhutspflicht“ der Unternehmen eine entsprechende Rechtsverordnung. „Soweit es um erzwingbare Rechtspflichten geht“, so die Antwort des BMU an das ARD-Rechercheteam, „muss die Obhutspflicht jedoch durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden.“ Daran arbeite man „mit Hochdruck“.

Nach der Wirkung des überarbeiteten Kreislaufwirtschaftsgesetzes gefragt, gibt sich auch Björn Asdecker gegenüber GEO.de skeptisch: „Aktuell wirkt es noch gar nicht“, sagt der Betriebswirtschaftler der Uni Bayreuth, „zumindest nicht im Hinblick auf die Obhutspflicht“. Den Grund dafür sieht der Forscher, ebenso wie Bettina Hoffmann von den Grünen, im Fehlen einer Rechtsverordnung. Wann die erlassen wird? „Ich gehe nicht davon aus“, sagt Asdecker, „dass dies angesichts der aktuellen pandemischen Lage und damit untergeordneten Themenrelevanz alsbald geschehen wird“.

Nachrichtenquelle: geo.de

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