La Gomera: Zweigeteilter Pottwal vor den Kanaren: Ist er ein weiteres Opfer einer Schiffskollision?
Rund 90 Prozent des weltweiten Warenverkehrs wird auf dem Seeweg transportiert. Mehr als 90.000 Schiffe durchqueren jeden Tag die Weltmeere – Frachtschiffe, Passagierschiffe, Serviceschiffe. Sie alle teilen sich den Raum mit vielen Meeresbewohnern. Das erhöht die Gefahr durch Kollisionen. Walbeobachtende entdeckten nun den Kadaver eines Pottwals vor La Gomera
Die Weltmeere bedecken 71 Prozent der gesamten Erdoberfläche – und trotzdem wird es in den Ozeanen zunehmend eng. Der Schiffsverkehr nimmt weltweit stetig zu und der Trend zeigt weiter nach oben. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird innerhalb der nächsten 35 Jahre ein Wachstum des Schiffsverkehrs zwischen 50 und 250 Prozent erwartet.
Schon jetzt sind rund 90.000 Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs, meldet das Umweltbundesamt. Diese Zählung umfasst Frachtschiffe, Passagierschiffe und Serviceschiffe – Fischereischiffe sind in dieser Statistik noch gar nicht eingerechnet.
Schiffskollisionen zählen zu den größten Gefahren für Wale
Je mehr Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs sind, desto größer wird die Gefahr von Schiffskollisionen mit Walen und anderen Meeressäugern. Der Zusammenprall mit großen Schiffen endet für die Meeresbewohner meist tödlich. Sterben die Tiere nicht sofort, so tragen sie schwerwiegende Verletzungen davon, an denen sie qualvoll zugrunde gehen. Weltweit stellen sogenannte “Ship Strikes” eine der größten Gefahren für Wale dar.
Allein für die Kanaren gehen Schätzungen von mindestens 20 getöteten Walen pro Jahr durch Kollisionen mit Schiffen aus, wobei die Dunkelziffer vermutlich deutlich höher liegt. “Nur die wenigsten Opfer solcher Kollisionen werden bekannt, sie sind die Spitze des Eisbergs. Man schätzt, dass für jeden durch eine Schiffskollision getöteten Wal von dem wir erfahren, mindestens 20 unbemerkt sterben”, erklärt Andreas Dinkelmeyer, Meerescampaigner des International Fund for Animal Welfare Deutschland.
Die Kanarischen Inseln gelten international inzwischen als “Hot Spot” für Kollisionen zwischen Schiffen und Walen. Pottwale, insbesondere die unerfahrenen Jungtiere, sind besonders gefährdet. Gleichzeitig stellt der Inselarchipel einen der wichtigsten und artenreichsten Lebensräume für Delfine und Wale im Nordatlantik dar. Insgesamt 30 Arten wurden hier schon dokumentiert, 24 davon vor La Gomera – das ist Europarekord.
Immer schneller, größer, tödlicher
Etwa zwei Seemeilen im Meer vor der Kanareninsel entdeckten Walbeobachtende bei einer Tour kürzlich den Kadaver eines Pottwals, der reglos an der Oberfläche trieb. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass der Pottwal in zwei Hälften zerteilt worden war.
“Der Verdacht liegt nahe, dass dieser Pottwal ein weiteres Opfer der vielen Hochgeschwindigkeitsfähren ist, welche die Kanarischen Inseln miteinander verbinden”, sagt Fabian Ritter, Meeresschutzexperte der Whale and Dolphin Conservation (WDC) und wissenschaftlicher Leiter des Berliner Vereins M.E.E.R. “Es gibt keine andere Erklärung für einen zweigeteilten Wal, als dass er von den scharfen Rümpfen der Fähren erfasst wurde.”
Zwischen den Kanareninseln herrscht ein reger Fährbetrieb, der in den letzten 20 Jahren stetig zugenommen hat. Die Schiffe werden immer schneller und größer – und potenziell auch tödlicher. Das verschärft den Konflikt zwischen den Tieren und der Schifffahrt. Je schneller ein Schiff fährt, desto höher ist das Risiko einer Kollision, bei Geschwindigkeiten über zehn Knoten (etwa 18 km/h) steigt die Wahrscheinlichkeit tödlicher Zusammenstöße erheblich.
“Die entscheidende Frage ist, ob der Wal bereits tot war, als er überfahren wurde oder ob die Kollision mit einem Schiffsrumpf zum Tod geführt hat”, so Fabian Ritter weiter. “Die Statistik sagt uns, dass es wahrscheinlicher ist, dass der Wal durch eine Schiffskollision ums Leben kam.”
Natur- und Tierschutzverbände fordern Geschwindigkeitsbegrenzungen und Sperrzonen
Einstweilen empfehlen internationale Expertinnen und Experten, die Geschwindigkeit von Schiffen zu reduzieren und Meeresschutzgebiete zu meiden, um die Gefahr von Kollisionen zu vermindern und die Meeresbewohner zu schützen. Mit Geschwindigkeitsbegrenzungen und Sperrzonen könnte die Zahl der Kollisionen verringert werden. Organisationen wie WDC und M.E.E.R. setzen sich seit langem für solche Maßnahmen ein.
Die Durchsetzung dieser Maßnahmen ist allerdings eine Herausforderung. Einige der am stärksten befahrenen Schifffahrtsrouten weltweit führen direkt durch Gebiete mit einer hohen Waldichte. Zudem wird es für Reederein teurer, wenn ihre Schiffe langsamer fahren müssen. Trotzdem: Aufgeben ist keine Option.
Nachrichtenquelle: geo.de
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