Studie: Verlust der Klangwelt: Vogelwelt wird leiser und monotoner

Wie haben sich die Zahl der Vögel und ihr Gezwitscher in den vergangenen Jahren verändert. Ein internationales Forscherteam hat Vogelgesänge in Europa und Nordamerika über 25 Jahre analysiert. Mit einem beunruhigenden Resultat

Vögel in Europa und Nordamerika singen einer Studie zufolge leiser und monotoner als noch vor wenigen Jahrzehnten. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach Analysen von Bestandsdaten und Vogelgezwitscher von über 200.000 Standorten über einen Zeitraum von 25 Jahren. Demnach zeigt die Auswertung, dass sich die Zusammensetzung des Gezwitschers auf beiden Kontinenten verändert hat. Die schwindenden Klänge könnten beeinflussen, wie Menschen die Natur wahrnehmen und sogar Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben, schreibt das Team um Simon Butler von der University of East Anglia in Norwich im Fachjournal „Nature Communications„.

Amsel, Drossel, Fink und Star: Wer in den vergangenen Pandemie-Monaten Spaziergänge über Wald und Wiesen unternommen hat, konnte viele heimische Vögel singen hören. Doch unklar war, wie sich das besonders in den Frühlingsmonaten ausgeprägte Gezwitscher im Laufe der letzten Jahrzehnten verändert hat.

Um dies zu klären, analysierten Butler und sein Team, darunter auch deutsche Forscher, mithilfe großer Datenbanken die Bestände der einzelnen Arten für 22 europäische Länder sowie für die USA und Kanada. Aus Deutschland flossen Daten aus 1700 Orten zwischen Nordseeküste und Alpen ein. Zudem charakterisierte das Team mit Aufnahmen von einzelnen Standorten das spezifische Gezwitscher dort.

Insgesamt lauschten die Forschenden den Gesängen von 1067 Vogelarten – die Aufnahmen sind auf der Website www.xeno-canto.org frei zugänglich. Daraus berechneten sie für die jeweiligen Standorte in Europa und Nordamerika die Vielfalt der Arten und die Lautstärke und Variabilität der Vogelkonzerte über mehrere Jahre.

Die Analysen ergaben, dass die Anzahl der Singvögel in Europa und Nordamerika in den vergangenen 25 Jahren zurückgegangen ist. Und insgesamt wurde das Zwitschern monotoner und weniger laut. „Die akustische Vielfalt und Intensität der natürlichen Klanglandschaften scheint in ganz Europa abzunehmen“, sagt Ko-Autor Johannes Kamp, Leiter der Abteilung Naturschutzbiologie an der Universität Göttingen. „In Deutschland haben wir zum Beispiel große Populationen von Arten mit charakteristischen Stimmen verloren, zum Beispiel Feldlerche und Kiebitz. Das sind Klänge, die das Erleben des Frühlings in der Landschaft ausmachen. Vor allem die Agrarlandschaften sind viel ruhiger geworden.“

Interview Artensterben

Klangarmut –Erbe der Natur als weniger wertvoll wahrgenommen

Die Geräusche einer intakten Natur könnten zum körperlichen und psychischen Wohlbefinden beitragen, schreibt das Team. Die Forschenden befürchten, dass die derzeitige Entwicklung in einen Teufelskreis mündet: Durch die schwächere Geräuschkulisse könnte das Erleben der Natur als weniger wertvoll wahrgenommen werden. Dies wiederum könnte das Interesse senken, Vogelbestände zu schützen.

„Die heutigen verarmten Klanglandschaften werden von der
jüngeren Generation bereits als normal empfunden“, sagt Ko-Autor Sven Trautmann vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA). „Wir können nicht zulassen, dass sich die Situation weiter verschlechtert.“

In der aktuellen Studie wurden zwar nur Vögel untersucht – die Autoren gehen aber davon aus, dass auch andere Tiergruppen betroffen sind. Was kann die Entwicklung aufhalten? Natur und Vögel müssten besser geschützt werden, fordern die Forschenden, bevor die Natur zu einem – im wahrsten Sinne des Wortes – eintönigen Ort wird.

An künftigen Analysen können aufmerksame Naturliebhaber übrigens mitwirken. Bei Spaziergängen können sie Vogelgesänge aufzeichnen und auf die Website hochladen. So stünden für weitere Forschung mehr Klangbeispiele zur Verfügung.

Nachrichtenquelle: geo.de

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