Erderwärmung: Wir Klimaskeptiker: Warum wir weitermachen, als wäre nichts

Der Klimawandel ist menschengemacht, und die roten Lämpchen blinken schon. Trotzdem leben wir, als sähen wir das nicht. Warum?

Klimaleugner haben es gerade nicht leicht. Wer heute noch behauptet, es gebe überhaupt keinen Klimawandel, macht sich selbst in AfD-Kreisen lächerlich. Auch wer behauptet, die Erderwärmung seit vorindustriellen Zeiten sei gar nicht vom Menschen zu verantworten, steht diskursiv auf verlorenem Posten: So gut wie alle Wissenschaftler*innen, die zum Thema forschen, sind sich darin einig: Die Klimakrise ist menschengemacht.

Nur wenige Jahre zurückliegende Klima-Debatten wie die zwischen dem ebenso skeptischen wie streitbaren Biologen Josef H. Reichholf und dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf muten heute schon unzeitgemäß an. Erledigt.

Super Sache, sollte man meinen. Dann können wir ja anfangen mit dem Klimaschutz. Alle sind sich einig. Wir kennen das Problem. Die Lösung liegt auf der Hand.

Das Problem der folgenlosen Einigkeit

Doch während es immer peinlicher wird, Klimaforschung öffentlich anzuzweifeln, bleibt ein Leitmotiv der Umweltdebatte bestehen: Das nämlich, was Sozialpsychologen als Mind-Behaviour-Gap bezeichnen, die Lücke zwischen Wissen und Handeln.

Fragen Sie sich mal selbst, hören Sie sich mal um im Freundeskreis: Wer würde der Klimawissenschaft offen widersprechen? Gleichzeitig pflegen viele – die meisten – von uns einen Lebensstil, der fast absurd zukunftsunfähig ist. Die Deutschen erzeugen pro Kopf immer mehr Klimagase, aktuell mehr als elf Tonnen pro Jahr, im Durchschnitt. Nachhaltig und global gerecht wäre nicht einmal ein Elftel davon.

Das Problem ist also nicht das Wissen – sondern das Handeln. Wir sind keine erklärten, aber De-facto-Klimaskeptiker. Wir argumentieren gegen sie, aber wir handeln wie sie. Nämlich so, als seien wir überzeugt, die Warnungen der Klimaforscher*innen vor Dürren, Hunger, Konflikten um Ressourcen, davor, dass ganze Weltgegenden innerhalb von Jahrzehnten unbewohnbar werden könnten, seien übertrieben. Als wüssten wir es besser. Als würden die Folgen der Erdüberhitzung nicht schon jetzt spürbar. Und zwar überall auf der Welt.

Was die Angst vor dem Tod mit dem Klimawandel zu tun hat

Die Kluft zwischen Selbstbild und Verhalten versuchen wir mit zahllosen Ausreden notdürftig zu kaschieren. Man kann zwar versuchen, solche Ausreden mit Argumenten und Fakten zu entkräften, muss aber damit rechnen, dass andere Rationalisierungen an ihre Stelle treten. Das eigentliche Problem könnte nämlich tiefer liegen.Grüner Bereich

Es war der amerikanische Sozialanthropologe Ernest Becker, der unsere Angst vor dem Tod als Triebfeder unserer Kultur identifizierte. „Immortality projects“ nannte er Versuche, die eigene Endlichkeit symbolisch zu überwinden. Wir retten unser vergängliches Selbst in die „Unsterblichkeit“ durch den Glauben an einen gerechten Gott, an den Fortschritt und heilsbringende Technologien, durch die Aneignung von leistungsstarken Autos, smarten Kühlschränken und anderen Symbolen.

Konsum ist, nach dieser Lesart, immer auch ein Projekt, mit dem wir uns in die Zeitlosigkeit zu retten versuchen. Ein Versuch, die Kränkung durch das unausweichliche Ende abzuwehren.

Mit einem paradoxen Ergebnis. Denn es ist genau dieses kollektive Projekt – Häuser bauen, Autos kaufen, um die Welt Fliegen –, das die ökologische Krise befeuert. Das immer mehr Bilder der Endlichkeit produziert: reißende Fluten, sengende Dürren, hungernde und sterbende Menschen, Tiere und Pflanzen.

Es könnte sich lohnen, abseits der ausgetretenen Pfade der Diskussion um nachhaltigen Konsum hier genauer – oder überhaupt einmal – hinzusehen. Denn es ist zwar richtig, dass das Verhalten Einzelner angesichts des gewaltigen Veränderungsdrucks wenig wiegt. Doch der Verweis der Einzelnen auf „die Politik“, das Hoffen auf Klimakonferenzen, auf denen endlich rigorose Maßnahmen beschlossen werden, ist vergeblich: Die Politik, das sind wir alle. Wir Klimaskeptiker.

Nachrichtenquelle: geo.de

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