Oberpfalz: Städtetrip nach Regensburg – das traditionelle Handwerk entdecken

In Regensburg tauchen Reisende in eine mittelalterliche Altstadt ein, die aber nicht wie ein Freilichtmuseum wirkt. Traditionelles Handwerk ist hier zu Hause – und die älteste Bratwurststube der Welt

Seit Andreas Meier im Lockdown erlebt hat, mit welchem Vergnügen sein 14-jähriger Sohn Sauerkraut stampfte statt die Schulbank zu drücken, scheint die Zukunft für den Nachwuchs unter Dach und Fach. Freude an der handwerklichen Tradition ist für den Vater die beste Voraussetzung, um eine gastronomische Institution in Regensburg zu übernehmen: das Wirtshaus Wurstkuchel.

In Regensburgs historischem Stadtkern gibt es viele Familienunternehmen, die sich auf das Handgemachte und nachhaltig Produzierte verstehen. Man findet sie in engen Gassen zwischen Patrizierhäusern und Kapellen aus allen Kunstepochen des Mittelalters. Hier bewegt man sich ganz selbstverständlich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ohne ins Altbackene oder Hippe auszuschlagen oder das verstaubte Museale zu pflegen.

Das sehen jedoch nicht alle Einheimischen so. Einigen ist die moderne Architektur des 2019 am Donauufer eröffneten Hauses der Bayerischen Geschichte ein Dorn im Auge. Doch Stephanie Birnthaler empfiehlt ihren Gästen hierzu den Besuch im regionalgeschichtlichen Museum. „Spätestens drinnen werden Sie sehen, dass der Bau kein Monster oder Klotz ist, wie manche sagen“, sagt sie. Mit ihrem Mann betreibt sie in der Altstadt die Hotels „Goliath“ und „David“.

Beide sind Freunde einer gepflegten Einrichtung hinter historischen Mauern. Im „Hotel David“ bei der Steinernen Brücke ist das so gut gelungen, dass die Besitzer des Gebäudes die Denkmalschutzmedaille 2020 des Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege erhalten haben.

Die im 16. Jahrhundert in ein Wohnhaus umgebaute romanische Kapelle wurde behutsam und detailgetreu restauriert, so dass Gäste auf modernen Komfort nicht verzichten müssen. Zugleich wird ihnen die Stein gewordene Geschichte nicht vorenthalten.

Feine Bürsten und Lederware

Abgesehen vom modernen Haus der Bayerischen Geschichte, dessen vielkritisierte Keramikfassade etliche Fachleute übrigens eine gelungene Einordnung ins gewachsene Stadtbild nennen, hält sich der Wandel in der Altstadt in Grenzen. „Dafür sorgt schon das strenge Denkmalamt“, sagt Stephanie Birnthaler anerkennend.

Bürsten Ernst Manufaktur
Die Bürsten Ernst Manufaktur setzt auf Tradition, bietet mittlerweile aber auch Pflegeprodukte an
© Karin Willen/dpa-tmn

Zwar werden heute in den Räumen eines ehemaligen Kolonialwarenladens Tattoos gestochen. Das geht in Regensburg aber ohne grelle Werbung. Die Manufaktur Bürsten Ernst konnte dagegen die Stellung halten. Sie ist mittlerweile der letzte Laden seiner Art in der Domstadt. Und hat das Sortiment um naturnahe Pflegeprodukte erweitert.

Ein paar Gassen weiter bietet das Start-up Thann Leder handgefertigtes und pflanzlich gegerbtes Leder von Biorindern im kleinen Werkstattladen. Jonas Mumm, einer der beiden engagierten Lederhandwerker, ist studierter Architekt. Doch zog es ihn mehr zu gradlinigen, handgemachten Dingen des täglichen Lebens.

Pralinengenuss und Hutmacherkünste

Der Wochenmarkt am Dom mit regionalen Produkten ist samstags gleichermaßen Treffpunkt wie Besuchermagnet. Wenn man sich auf dem Markt nicht über den Weg läuft, begegnet man sich im Café.

Da ist zum Beispiel das Café Goldenes Kreuz am Haidplatz, das schon im 16. Jahrhundert als Gasthof diente. Oder das Café Prinzess, eines der ersten Kaffeehäuser Deutschlands, das bereits im 17. Jahrhundert die Fürsten und Gesandten des Immerwährenden Reichstags des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bewirtete. Dort gibt es heute unter anderem handgemachte Pralinen zu kaufen.

Ein paar Schritte weiter modelliert die Manufaktur Hutkönig gegenüber dem Dom seit 1875 per Hand Hüte – mit Kraft und Können und heißem Dampf. Trachtenhüte und ausgefallene Kreationen gleichermaßen. „Ich bringe alle unter einen Hut“, kalauert Hutmacher und Andreas Nuslan. Er arbeitet in vierter Generation am selben Platz und macht sich auch international für das fast ausgestorbene Handwerk stark.

Hüte in einem Schaufenster in Regensburg
Auch das Handwerk der Hutmacher blüht in Regensburg weiterhin
© Karin Willen/dpa-tmn

Warum gelingt ausgerechnet hier am nördlichsten Punkt der Donau und an den Mündungen von Regen und Naab der Spagat zwischen den Zeiten?

Vielleicht, weil hier seit alters viele vorbeikommen und mit einer Mischung aus Fleiß, Eigensinn und Originalität einen Platz zum Bleiben finden. Schon in der Steinzeit wurde der Regensburger Donaubogen besiedelt. Die Römer kamen, etliche blieben. Böhmer stießen dazu und mischten sich mit denen, die schon da waren.

Der Wanderprediger und später heiliggesprochene Wolfgang kam, gründete die Regensburger Domspatzen und blieb. Thurn und Taxis siedelten aus Frankfurt über, um des Kaisers Post effektiv besorgen zu können – und blieben. Was in Regensburg bedeutet, sich mit Respekt vor der Tradition ins städtische Leben einzuordnen.

Viel Geschichte in den Steinen

Als Andreas Meiers Vorfahren dem Stadtkämmerer 1808 die Wurstkuchl abkauften, war das kleine Gebäude an der alten Stadtmauer schon 700 Jahre alt. Zwischen 1135 und 1146 diente es als Baubüro der Steinernen Brücke, die als Hauptwerk der mittelalterlichen Brückenbaukunst gilt. Dann wurde das geduckte Häuschen eine Garküche für Hafenarbeiter, später auch für die Steinmetze des Doms. Die Arbeit ging nie aus. Denn der Hafen, in dem heute Museumsschiffe dümpeln, war lange Zeit ein wichtiger Umschlagplatz etwa für Salz.

Heute folgen Touristen dem Duft der „ältesten Bratwurststube der Welt“, wie Meier sein Geschäft gerichtsbestätigt nennen darf. Am Hauptprodukt hat sich seit Jahrhunderten nichts geändert: frische, hausgemachte Würstchen aus purem Hinterschinken vom offenen Holzkohlengrill mit Kraut aus dem eigenen Gärkeller mit ebenfalls hausgemachtem süßen Senf. Eine größere Gaststätte ist gleich nebenan im historischen Salzstadel hinzugekommen, in dem auch das Besucherzentrum Welterbe untergebracht wurde.

So bleibt die Zeit auch in Regensburg nicht stehen, und mancher Trend ist gekommen, um zu bleiben und irgendwann Normalität zu werden. Den Anteil an Gemüse und Salat zum Beispiel hat Andreas Meier der Nachfrage entsprechend vergrößert. Bei seinen „Sechs auf Kraut“ ist allerdings alles beim Alten geblieben.

Nachrichtenquelle: geo.de

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