Klima-Sofortprogramm: Studie: Neue Bundesregierung muss Tempo beim Klimaschutz verdreifachen

Drei Thinktanks mahnen in einer Studie: Um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist ein beispielloser Kraftakt vonnöten. Und sie liefern auch ein konkretes Maßnahmenbündel mit

Beim Klima sind die Ziele gesteckt. Sie heißen „1,5 Grad“ und – seit kurzem – „Klimaneutralität schon bis 2045“. Da sind sich die Regierungsparteien einig. Über die notwendigen, konkreten Schritte jedoch gibt es unter den Bundestagsparteien weiter Uneinigkeit. Während die Grünen auf einen Ausstieg bis 2030 drängen, wollen sowohl SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz als auch sein CDU-Konkurrent Kohlekraftwerke bis 2038 weiterlaufen lassen.

Verdreifachung des Tempos beim Klimaschutz

Wie anspruchsvoll die formulierten Klimaziele tatsächlich sind, das zeigt nun eine Studie dreier unabhängiger Thinktanks. Die Expertinnen und Experten von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und die Stiftung Klimaneutralität rechnen vor, dass die zukünftige Bundesregierung das Tempo beim Klimaschutz verdreifachen muss: Für die bisher erreichten 40 Prozent Reduktion habe Deutschland drei Jahrzehnte benötigt. Für die verbliebenen 60 Prozent bis zur Netto-Null blieben dagegen nur wenig mehr als 23 Jahre. Während im Schnitt der letzten Jahre 14 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden seien, müssten es ab sofort Jahr für Jahr 30 bis 40 Millionen sein.

Bei dem Weckruf lassen es die Thinktanks nicht bewenden. Sie geben der künftigen Bundesregierung auch ein Sofortprogramm an die Hand, das schon im Sommer 2022 in Kraft treten könnte. Deutschland brauche in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung „das größte Klimaschutz-Programm in der Geschichte der Bundesrepublik“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.

Diese Maßnahmen schlagen die Experten vor

Das Sofortprogramm umfasst 22 schnell umzusetzende Maßnahmen in den Sektoren Strom, Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft. Ein ressortübergreifender, 30 Milliarden Euro schwerer „Klima-Haushalt“ solle Investitionen in den Klimaschutz vorantreiben. „Das kommende Jahrzehnt bis 2030“, sagt Graichen, „muss eine Dekade des Investierens werden, in klimaneutrale Energieversorgung, Industrieanlagen, Verkehr, Gebäudesanierung und eine Wasserstoff-Infrastruktur“.

Für den Gebäudesektor schlagen die Autoren eine Erhöhung der Fördermittel für effiziente Heizungen und Wärmedämmung vor; ab 2024 könnten dann fossile Heizungen verboten und bei Dachsanierungen der Einbau von Solaranlagen verpflichtend werden. Klimaneutrale Neubauten und Sanierungen sollen jährlich mit elf Milliarden Euro gefördert werden.Klimafest bauen

Im Landwirtschaftssektor steht die Tierhaltung im Fokus. Der Konsum tierischer Produkte müsse laut der Studie sinken, ebenso wie die Zahl der gehaltenen Tiere, während sich die Einkommen der Landwirte stabilisieren. Der Einsatz von mineralischen Dünger soll reduziert werden, Moore sollen als wichtige CO2-Speicher renaturiert werden.

Für den Verkehrssektor lauten einige der wichtigsten Vorschläge: Die Kfz-Steuer soll sich zukünftig nur noch am CO2-Ausstoß orientieren, die Elektromobilität wird durch einen Ausbau der Ladeinfrastruktur gefördert. Die Mobilität in Städten soll vom Auto auf ÖPNV, Fahrrad und Fuß verlagert werden, Tempo 30 wird zur Regelgeschwindigkeit. Ein „Klimastresstest“ im Bundesverkehrswegeplan soll gewährleisten, dass Bauprojekte mit dem Klimaschutz vereinbar sind.

Mit einer „Wasserstoffstrategie 2.0“ soll der Industriesektor klimafreundlicher werden. So könnten bis 2030 rund die Hälfte der Produktion in der Stahl-, Chemie- und Zementindustrie klimaneutral werden. So genannte Carbon Contracts for Difference sollen die Mehrkosten der klimaneutralen Produktion ausgleichen.

Für den Energiesektor schlagen die Experten eine Verdreifachung des Ökostrom-Ausbaus und einen schnelleren Netzausbau vor. Aus der Kohleverstromung müsse Deutschland – wie auch die Grünen im Bundestag fordern –  nicht erst 2038, sondern schon 2030 aussteigen. Ein nationaler Mindestpreis für CO2 im Stromsektor von 50 bis 65 Euro pro Tonne könne diese Entwicklung flankieren.

Nachrichtenquelle: geo.de

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