Rassistische Tiernamen: Was ein Ethnologe erlebte, als er vorschlug, die Mohrenfalter umzubenennen

Der Ethnologe und Journalist Felix Riedel schlug in einem Fachforum vor, die Mohrenfalter in „Bräunlinge“ umzubenennen. Und erntete einen Sturm der Entrüstung

GEO.de: Herr Dr. Riedel, wie sind Sie als Ethnologe auf die Idee gekommen, in einem Schmetterlings-Fachforum die Umbenennung der Mohrenfalter in „Bräunlinge“ anzuregen? 

Felix Riedel: Ich habe Naturkunde seit meinem 12. Lebensjahr betrieben, aber mir fiel erst relativ spät auf, mit der intensivierten gesellschaftlichen Diskussion um Begriffe wie „Mohr“ oder „Zigeuner“, dass ich den Begriff „Mohrenfalter“ selbst lange verwendet hatte. Ich habe meinen Vorschlag jeweils in einem Facebook- und einem Fachforum, dem Lepiforum, vorgestellt. Dabei ging es mir nicht darum, einen offiziellen Antrag an ein Gremium zu stellen, sondern sozusagen ein Fachpublikum für die Frage zu interessieren, Bündnispartner zu suchen, herauszufinden, ob schon jemand daran arbeitet, ob es vielleicht sogar schon einen Konsens gibt.

Was passierte dann?

Es gab in beiden Foren in kürzester Zeit mehr als hundert Reaktionen. Was mich überraschte, war die Geschlossenheit der Abwehr. Ich habe die Beiträge in einer späteren Analyse in verschiedene Kategorien eingeteilt. Da waren zum einen Versuche der Rationalisierung, zum Beispiel die Aussage, wir hätten „ganz andere“ Probleme, oder das sei doch nicht so schlimm. Aber auch Leugnung und Verharmlosung: „Das war schon immer so!“, oder „Das ist doch gar nicht rassistisch!“, bis hin zur offenen Identifizierung mit rassistischen Motiven und Provokation mit rassistischen Begriffen wie „Negerkuss“ oder „Zigeunerschnitzel“. Es ging zu wie in einem Forum eher rechtslastiger Parteien oder Organisationen.

Die Vogelkundler haben schon vor Jahren rassistische Vogelnamen aus der offiziellen Liste der deutschen Namen getilgt …

Natürlich zeigt das Lepiforum nur einen Ausschnitt, der für die Lepidopterologie in Deutschland nicht repräsentativ ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Ornithologie stärker als die Schmetterlingskunde international vernetzt ist, auch dadurch, dass Zugvögel ein großes Thema sind. Man reist eher in andere Länder und tauscht sich mit internationalen Kollegen aus. Birdwatching ist beliebt, auch außerhalb von Expertenkreisen. So findet Neues leichter Eingang in die Fachwissenschaft.

Wie erklären Sie, dass viele der Forumsteilnehmer auf Ihren Vorschlag geradezu verletzt reagiert haben? 

Das ist etwas, was nicht spezifisch für die Schmetterlingskunde ist. Das sehen wir auch in der Sprachdiskussion, vor allem im rechten, aber interessanterweise auch im linken Spektrum, etwa in der Debatte um Kinderbücher. Christine Nöstlinger zum Beispiel hat sich in der ZEIT vehement gegen die Zensur des Wortes „Neger“ geäußert. Wenn Menschen bewusst wird, dass sie ihr Leben lang etwas getan haben, was andere Menschen verletzt, haben sie zwei Möglichkeiten: Sie können die eigene Verantwortung akzeptieren und ihr Verhalten ändern. Oder sie leugnen und wehren ab. Mir scheint, gerade die Nachkriegsgeneration ist besonders damit beschäftigt, den Vorwurf des Rassismus abzuwehren – und so oft alles noch schlimmer zu machen.

Die deutschen Trivialnamen sind das eine, die wissenschaftlichen das andere. Die in „Pünktchenente“ umbenannte Hottentottenente heißt für Experten in aller Welt immer noch Spatula hottentota. Es gibt sogar einen Skorpion mit dem lateinischen Namen Hottentotta hottentotta

Ja, das ist ein Armutszeugnis. Die internationale Namenskommission stellt sich einfach hin und sagt, wir haben nun mal einen Paragrafen, der verhindert, dass wir einmal vergebene lateinische Namen ändern. Das wird zu einer Art Naturgesetz aufgebauscht. Natürlich könnte man, wenn man wollte. So etwas kommt in der Nomenklatur ständig vor, und aus naturwissenschaftlicher Sicht spricht nichts dagegen. Man könnte auch per Mehrheitsbeschluss diesen Paragrafen ändern – oder die Kommissionszusammensetzung.

Was ist Ihr Fazit der „Causa Mohrenfalter/Bräunlinge“?

Ich hatte die Hoffnung, dass von der Naturkunde progressive, aufklärerische Impulse ausgehen. Das war ja in vergangenen Jahrhunderten zweifellos der Fall, etwa, indem sie religiöse Schöpfungsmythen hinterfragte. Da es ist schon enttäuschend, so eine Erstarrung zu notieren. Ich glaube aber nach wie vor, dass die Fortschritte in diesem Bereich unwiderruflich sind, und denke, dass die Black Lives Matter-Bewegung Fakten geschaffen hat, hinter die wir nicht zurückfallen können. Auch wenn die Schmetterlingskunde sich noch eine zeitlang öffentlich blamiert – früher oder später wird sie nachziehen.

Nachrichtenquelle: geo.de

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