Gespräch mit der Chefredaktion: Warum GEO ab jetzt auf gendersensible Sprache achtet

Die aktuelle GEO-Titelgeschichte handelt unter anderem davon, warum sich die GEO-Redaktion dazu entschlossen hat, ab sofort mehr auf gendersensible Sprache zu achten. Im Interview sprechen die beiden GEO-Chefredakteure Jens Schröder und Markus Wolff über den Weg, den GEO beim Umgang mit dem geliebten Handwerkszeug Sprache geht

Lieber Jens, lieber Markus, GEO achtet ab sofort auch auf gendersensible Sprache – warum habt ihr euch dazu entschieden?

Sprache ist ein sensibles Thema. Und zugleich ist sie unser Handwerkszeug, wenn wir Journalismus betreiben. In der Debatte um gendergerechte Sprache können wir als Redaktion daher nicht völlig neutral bleiben – wir müssen uns ja entscheiden, wie wir in unseren eigenen Medien damit umgehen. GEO hat jetzt einen sehr differenzierten Beitrag zur Diskussion geliefert. Und wir haben zugleich entschieden: Wir werden unseren eigenen Sprachgebrauch behutsam in Richtung von mehr Ausgeglichenheit und Geschlechtergerechtigkeit entwickeln.

Auf dem Weg zu dieser Entscheidung gab es viele Termine in der Redaktion, Pro- und Kontra-Listen und es wurde heiß diskutiert – worum habt ihr am meisten gestritten?

Über die Frage „Gehen wir wirklich bis zum Äußersten, also zum Sternchen?“ gab es schon ausgiebigere Debatten. Aber das war von allen Beteiligten immer sehr lösungsorientiert. Man hat gemerkt, dass wir alle Sprache lieben, und tatsächlich diese Diskussion auch aus dieser Perspektive, neutral gesagt, spannend finden. Wir hatten eine Arbeitsgruppe aus zwei Männern und zwei Frauen gebildet, die hat recherchiert, Expertinnen und Experten befragt, Beispiele von anderen Medien und Institutionen analysiert. Sie haben auch Pro- und Kontra-Listen geschrieben und an konkreten GEO-Reportagen ausprobiert, was sich eigentlich wirklich ändern würde, wenn man die mit einem Auge für gendersensible Sprache überarbeitet. Ergebnis: Wenn man es behutsam macht und sich Zeit nimmt, dann ist der Unterschied nicht riesig. Dann bleibt auch die Sprache elegant.

Wie setzt ihr das Gendern künftig um?

Die Arbeitsgruppe hat einen Baukasten zum gendergerechten Formulieren zusammengestellt und auf Basis dessen Vorschläge zur Umsetzung erarbeitet. Da steht alles drin zu den jeweiligen Vor- und Nachteilen von Substantivierungen des ersten und zweiten Partizips und zu allen möglichen hilfreichen Formulierungen. Tja, wir sind halt GEO, wir gucken uns das natürlich ganz genau an. Das klingt jetzt vielleicht sperrig, aber für Menschen mit Sprach-Interesse ist das tatsächlich eine tolle Lektüre, die wir gern interessierten Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen. Der Baukasten soll es der Redaktion leichter machen, „sanft zu gendern.“ Und auch die Sternchen als besonders augenfällige Veränderung so weit es geht zu vermeiden. Es gibt meistens gute andere Möglichkeiten. Generell werden wir das Ganze ohne jede Verbissenheit und ohne Missionierungseifer umsetzen. Und wenn es mal in einer kleinen BU oder einem Vorspann total klemmt, dann ist gendersensible Sprache vielleicht auch nicht immer das einzige Kriterium, nach dem zu entscheiden ist. Vieles bleibt im Ermessen der, Achtung: Textchef*innen.

Macht ihr das auf allen Kanälen und in allen GEO-Line-Extensions gleich oder gibt es Ausnahmen?

Das Ganze ist ein Prozess, wir möchten uns dem Leitbild ernsthaft annähern, aber auch nicht um jeden Preis. Aber auf dem Weg gibt es bestimmt viele Sonderfälle zu entdecken. Für GEO Epoche werden wir zum Beispiel eigene Lösungen finden müssen. Da wird jedenfalls nicht stehen, dass „die Soldat*innen von Sparta die Athener*innen angreifen“. Das macht ja keinen Sinn. 

Gibt es schon Reaktionen auf GEOs neuen Umgang mit gendersensibler Sprache?

Ja, wir haben schon Reaktionen einiger Leser*innen bekommen, darunter freilich auch welche, die aus Protest ihr Abo gekündigt haben. Wir antworten denen natürlich allen, zumindest wenn die Mails in einem vernünftigen Ton verfasst sind. Einen Leser haben wir heute schon mit einer differenzierten, wertschätzenden Antwort als Abonnenten zurückgeholt…

Im Ernst: Dass wir dafür nicht nur Beifall bekommen, ist klar und auch völlig in Ordnung. Irritiert bin ich allerdings von Zuschriften, die uns vorwerfen, unter einem vermeintlichen „Mainstream-Druck“ eingeknickt zu sein. Das ist schlicht falsch. Wir haben noch nie irgendwelche bösen Aufforderungen bekommen, dass wir gefälligst gendern sollen. Denjenigen, die gendersensible Sprache aus verschiedenen Gründen kritisch sehen und uns auffordern, unsere Entscheidung zu revidieren, kann ich nur sagen: Wir sind weit davon entfernt, irgendjemandem sprachlich irgendetwas vorschreiben oder aufzwingen zu wollen. Das Gleiche beanspruchen wir aber auch für unsere Entscheidung zu einer gleichberechtigten Sprache. Die haben wir völlig ohne Schaum vor dem Mund getroffen und erklärt. Ich bin sicher, unsere Titelgeschichte ist für Menschen auf beiden Seiten der Debatte sehr lesenswert und inspirierend. Auf jeden Fall für alle, die Sprache lieben.

AufeinWort

Nachrichtenquelle: geo.de

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