Luftverschmutzung: Chemie- und Brennstoffpartikel in der Luft: Hunderttausende Tote jährlich

Menschen setzen neben anorganischen auch organische Stoffe frei. Bestimmte dieser Partikel tragen zur Luftverschmutzung bei – und damit verbundenen Todesfällen. Ihr Effekt werde unterschätzt, mahnen Forscherinnen und Forscher

Bestimmte Partikel aus weit verbreiteten Chemikalien wie Farben und Pestiziden sowie Brennstoffen in der Luft führen einer Analyse zufolge zu mehr vorzeitigen Todesfällen als bisher angenommen. Auf sogenannte anthropogene sekundäre organische Aerosole (ASOA) gehen demnach weltweit wohl 340.000 bis 900.000 vorzeitige Todesfälle im Jahr zurück – etwa zehnmal mehr als zuvor geschätzt.

Solche winzigen Partikel in der Atmosphäre bilden sich aus Chemikalien, die durch menschliche Aktivitäten emittiert werden. Hinzu kommen weithin bekannte Quellen für Luftverschmutzung wie Kraftwerke und Verkehr – insgesamt werden weltweit mehrere Millionen vorzeitige Todesfälle jährlich auf Feinstaub zurückgeführt.

Alltagschemikalien, Reinigungs- und Lackiermittel tragen zur Luftverschmutzung bei

Emissionen von Alltagsprodukten spielten eine immer größere Rolle bei der Bildung von Schadstoffen vor allem in Stadtluft, erläutern die Forscher um Benjamin Nault von der University of Colorado in Boulder im Fachjournal „Atmospheric Chemistry and Physics“. Vorschriften zielten bisher vor allem auf eine Begrenzung der Emissionen von Schwefel- und Stickoxiden aus fossilen Brennstoffen ab, etwa bei Kohlekraftwerken und im Verkehr. „Diese sind wichtig, aber wir zeigen, dass man eine Hauptquelle außer Acht lässt, wenn man nicht auch auf Reinigungs- und Lackiermittel und andere Alltagschemikalien abzielt.“ Als Einschränkung ihrer Ergebnisse nennen die Forscher das Fehlen ausreichender Messungen in Süd- und Südostasien, Osteuropa, Afrika und Südamerika.

Die Wissenschaftler hatten Daten von Studien zur Luftqualität aus den vergangenen zwei Jahrzehnten in elf städtischen Regionen wie Peking, London und New York City in ihre Auswertung einbezogen. Die Entstehung sekundärer organischer Aerosole hänge erheblich von bestimmten vom Menschen freigesetzten organischen Verbindungen ab.

Quellen für solche Chemikalien – sogenannte Aromate sowie mittel- und schwerflüchtige organische Verbindungen – sind demnach neben Auspuffrohren, Tankstellen und Asphalt sowie mit Holz oder Holzkohle betriebenen Kochstellen zunehmend etwa industrielle Lösungsmittel und Beschichtungen, Farben und Klebstoffe, Reinigungsmittel und Pflegeprodukte.

Luftverschmutzung gilt als größte Gesundheitsbedrohung in Europa

Trotz vieler Verbesserungen bleibt die Luftverschmutzung ein immenses Problem, in Europa gilt sie als größte Bedrohung für die Gesundheit. Der Europäischen Umweltagentur EEA zufolge leiden nach wie die meisten Europäer unter Luftverschmutzung etwa durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon. Mehr als 400.000 Menschen in 41 europäischen Staaten sterben nach 2020 vorgestellten Daten pro Jahr vorzeitig an den Folgen dieser Belastung, darunter Zehntausende in Deutschland.

Vor allem Stadtbewohner sind von zu hohen Schadstoffbelastungen betroffen: Drei von vier EU-Bürgern in urbanen Gebieten sind laut EEA einer Feinstaubbelastung oberhalb der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgesetzt. Beim Ozon ist es so gut wie jeder Stadtbewohner.

Smog in der Innenstadt von Peking
In der chinesischen Hauptstadt Peking sorgen Verkehr und Industrie für viel Feinstaub. Forscher entdeckten dort 2019 einen Zusammenhang zwischen dem Grad an Luftverschmutzung und der Häufigkeit von Fehlgeburten
© ttpang – Shutterstock

Im Juni veröffentlichte die EU-Umweltagentur eine Liste zur Luftqualität in mehr als 320 Städten Europas. Bewertet wird die durchschnittliche Luftbelastung mit Feinstaub (PM 2.5). Feinstaub bleibe der Luftschadstoff Nummer eins, der den größten Einfluss auf vorzeitige Todesfälle und Erkrankungen habe, hieß es zur Vorstellung der Liste.

Dreckige Luft erhöht auch das Demenzrisiko

Luftverschmutzung wirkt sich auf viele gesundheitliche Aspekte aus. So kann sie die Ausbildung von Allergien verstärken und wohl auch das Demenzrisiko erhöhen. Bei der Alzheimer’s Association International Conference (AAIC) in Denver wurde jüngst eine Analyse vorgestellt, der zufolge eine bessere Luftqualität die kognitive Leistungsfähigkeit verbessern und das Demenzrisiko vermindern kann.

Diesen Zusammenhang zeigten inzwischen mehrere Studien. So habe eine US-Auswertung ein merklich geringeres Demenzrisiko und einen langsameren kognitiven Verfall bei älteren Frauen in Gegenden mit geringerer Belastung mit Feinstaub (PM 2.5) und verkehrsbedingten Schadstoffen (NO2) ergeben. Daten aus Frankreich zeigten einen solchen Zusammenhang ebenfalls, hieß es.

Pandemie-Maßnahmen haben weniger Einfluss auf Luftqualität als gedacht (23802)

Hohe Luftqualitätsstandards unterstützen der Alzheimer’s Association zufolge das gesunde Altern – gerade vor dem Hintergrund der massiven Verstädterung und der weltweiten Bevölkerungsalterung sei das ein wichtiger Faktor. Derzeit leben dem Team um Nault zufolge etwa 95 Prozent aller Menschen in Gebieten, in denen die PM-2.5-Feinstaubwerte die von der WHO empfohlenen Grenzwerte für die jährliche Durchschnittsbelastung übersteigen. „Es wird geschätzt, dass PM 2,5 zu drei bis vier Millionen vorzeitigen Todesfälle pro Jahr führt, mehr als die mit anderen Luftschadstoffen verbundenen.“

Nachrichtenquelle: geo.de

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