
Tierwelt: Parasiten lassen Ameisen länger leben – mit einem perfiden Ziel
Ein Bandwurm lässt befallene Insekten drei mal länger leben als nicht infizierte Artgenossen. Damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie gefressen werden
Manche Parasiten haben bizarre Strategien entwickelt, um von einem Wirt zum nächsten zu gelangen. Ein Forscherteam um die Evolutionsbiologin Susanne Foitzik von der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität hat nun herausgefunden, dass infizierte Arbeiterinnen der Art Temnothorax nylanderi länger leben. Und zwar bis zu drei mal so lang wie ihre Artgenossen. Das berichten die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B„.
Die Ameisenart kommt in Westeuropa vor und bildet Kolonien von bis zu 200 Tieren, vorzugweise in Totholz. Die Arbeiterinnen werden nur zwei bis drei Millimeter groß. Für ihre Studie untersuchten die Forscher 58 verschiedene Kolonien, in denen es Infektionen mit dem Bandwurm Anomotaenia brevis gab. Genauer, mit einem Larvenstadium des Bandwurms – unschwer zu erkennen an der blasseren Färbung der infizierten Tiere.

© Susanne Foitzik
Im Untersuchungsgebiet, einem 700 Hektar großen Waldgebiet nordwestlich von Mainz, sind rund ein Drittel aller Ameisennester befallen. Etwa 13 Prozent der Tiere sind infiziert.
Bei einer Bestandsaufnahme nach drei Jahren zeigte sich: Alle nicht infizierten, gesunden Tiere waren tot – nicht verwunderlich, leben Arbeiterinnen dieser Art doch nur Wochen oder Monate. Was die Forscher überraschte: Etwa die Hälfte der infizierten Arbeiterinnen waren noch am Leben.
Ein langes, träges Leben – um gefressen zu werden
Ob die infizierten Ameisen ihr ungewöhnlich langes Leben genießen können, bleibt allerdings zweifelhaft. Denn wie die Wissenschaftler beobachteten, sind die infizierten Ameisen weniger aktiv als gesunde. Sie lassen sich von Artgenossen umsorgen und beteiligen sich nie an Beutezügen außerhalb des Nests. Auch zeigen sie ein weniger ausgeprägtes Fluchtverhalten.
Gleichzeitig stellten die Autoren der Studie fest, dass die nicht befallenen Arbeiter kürzer leben als Artgenossen in komplett gesunden Kolonien. Der wahrscheinliche Grund: Die Tiere sind doppeltem Stress ausgesetzt. Denn sie müssen nicht nur die infizierten Tiere mitversorgen – sondern auch auf deren Arbeitskraft verzichten.
Die Schwächung der ganzen Kolonie, vor allem aber die Sedierung der infizierten Tiere, ist laut den Forschern ganz im Sinn des Parasiten. Die Endwirte des Wurms sind nämlich Spechte – die sich von Ameisen ernähren. Bleibt die Ameise phlegmatisch im Nest, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie eines Tages von einem Vogel ausgegraben und gefressen wird: Ziel erreicht.
Nachrichtenquelle: geo.de
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