
Arktisforscher: Fridtjof Nansen: ein Mann voll Mut und Überlebenswillen
Polarforscher, Zoologe, Völkerrechtler – der Norweger Fridtjof Nansen (1861-1930) hat ein bewegtes Leben geführt und vieles bewegt. Sein Name wird vor allem mit abenteuerlichen Expeditionen in die Arktis verbunden. Doch Fridtjof Nansen hat auch mehr als 400.000 Kriegsheimkehrern und Geflüchteten mit seinem Einsatz eine lebenswerte Zukunft gegeben – und dafür den Friedensnobelpreis erhalten
Die Entschlossenheit steht bereits dem jungen Fridtjof Nansen auf Kindheitsfotos ins Gesicht geschrieben. Dass er aber mal im Alter von nur 27 Jahren als erster Mensch zu Fuß die Eiswüste auf Grönland durchqueren würde, damit hat er als Kind bestimmt selbst nicht gerechnet. Der Lebensweg des Entdeckers aus Norwegen ist so unberechenbar wie das Packeis.
Das scheinbar Unmögliche möglich zu machen – dieses Motto zieht sich wie ein Roter Faden durch das abenteuerliche Leben von Fridtjof Nansen. Dabei hat er wie alle Menschen nicht immer unbedingt selbst die Fäden gezogen. Aber Nansen hat die Gelegenheiten ergriffen, die sich ihm geboten haben.
Dazu gehört auch seine erste Expedition in die Arktis im Jahr 1882 auf einem norwegischen Robbenfänger, die er später einmal „als folgenschweren Schritt, der mich vom rechten Weg eines geruhsamen wissenschaftlichen Lebens abbrachte“ bezeichnen wird.
Fram-Expedition lässt sich im Packeis einfrieren
Im Vergleich zu den fünf Monaten dieser Reise, ist seine spätere Expedition mit dem Segelschiff Fram ein zeitlicher Klacks. Was sind schließlich 150 Tage auf einem Robbenfänger gegen 1000 Tage gefangen im Packeis und eisiger Wanderung einmal zum geographischen Nordpol und wieder zurück?
Aber: Auf seiner ersten Grönlandexpedition im Jahr 1882 an Bord des Robbenfängers „Viking“ wird die Sehnsucht nach Eis und Abenteuer in Friedrjof Nansen geweckt.
Norwegen will lebensgefährliche Expedition nicht unterstützen
Kein Wunder, schließlich kann er auf dieser Expedition wegen des dichten Packeises das noch unerforschte Grönland nicht betreten – was er aber 1888 mit fünf Begleitern nachholen will. Dabei geht es Fridtjof Nansen nicht nur um einen Ausflug, sondern er will die vereiste Insel zu Fuß einmal komplett durchqueren. Die Öffentlichkeit inklusive der Presse und der Regierung in Norwegen hält diesen Plan für so lebensmüde, sodass er zunächst keine Geldgeber findet.
Private Sponsoren machen das Abenteuer möglich, das nach 78 Tagen und mehreren hundert zurückgelegten Kilometern bei bis zu 46 Grad Minus erfolgreich endet. Als Wissenschaftler und – nebenbei bemerkt – leidenschaftlichem Skifahrer, ging es Fridtjof Nansen aber nicht vorrangig um den Nervenkitzel des Unbekannten.
Expedition bringt neue Erkenntnisse für die Polarforschung
Seine Aufzeichnungen während des anstrengenden Fußmarsches bringen neue Erkenntnisse über die Geographie Grönlands, das Ausmaß der Gletscher sowie Grundlagen für die Wetterbildung im nördlichen Atlantik und damit auch Europa. Und nicht zu vergessen: Der Skisport in Norwegen erfährt eine plötzliche Beliebtheit, die bis heute anhält.
Der 28-jährige Fridtjof Nansen ist zurück im sicheren Hafen und das gilt auch für sein Privatleben im Hafen der Ehe. Er heiratet 1889 Eva Sars, mit der er fünf Kinder haben wird und nimmt eine Stelle als Kurator in der zoologischen Sammlung der Stadt Christanan an – dem heutigen Oslo. Für den studierten Zoologen eigentlich eine perfekte Konstellation. Aber die Arktis lässt Fridtjof Nansen nicht los.
Schiff soll im Packeis eingefroren zum Nordpol driften
Schon länger hat er von der Theorie einer arktischen Meeresströmung gehört, die das dortige Packeis vorwärts bewegt. Sein waghalsiger Plan: Wenn sich ein entsprechend verstärktes Schiff im Packeis einschließen lässt, müsste es bei entsprechender Strömung mit der Eisdrift in die Nähe des Nordpols gelangen.
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Der bekannte norwegische Schiffskonstrukteur Colin Archer entwirft einen Dreimaster mit 50 Zentimeter dicken und verstärkten Außenwänden. Noch dazu soll die bauchige Rumpfform dafür sorgen, dass das Schiff nicht vom Packeis zerdrückt wird.
Die Fram wird vom Packeis eingeschlossen
In der Theorie ein gute Idee – und tatsächlich bewährt sich die Fram auch in der Praxis. Im Oktober 1893 liegt das Segelschiff völlig eingeschlossen vom Packeis im arktischen Ozean und ist gut ausgestattet.An Bord gibt es eine Dampfmaschine für den Antrieb – wenn das Schiff denn mal wieder fahren kann. Der Schiffspropeller und sogar das Schiffsruder an der Fram können zum Schutz vor dem Eisdruck eingezogen werden. Das Einzige, was nicht funktioniert, ist die erwartete Meeresströmung.
Die Fram-Expedition driftet zuerst nach Süden anstatt nach Norden. Der weitere Strömungsweg in Richtung Norden gestaltet sich so langsam, dass eine Lösung her muss. Fridtjof Nansen trifft eine waghalsige Entscheidung: Er will das sichere Schiff verlassen und zu Fuß zum noch 660 Kilometer entfernten Nordpol gehen. Seine Begleiter: Der durchtrainierte Skisportler und Turner Fredrik Hjalmar Johansen aus der Schiffsmannschaft, 28 Schlittenhunde, drei Transportschlitten und zwei Kajaks.
Zu Fuß in Richtung Nordpol durch die Arktis
Erreicht haben die beiden Männer den Nordpol nicht. Temperaturen von Minus 40 Grad, Stürme und erfrorene Gliedmaßen machen das Vorankommen unmöglich – zudem die Eisdirft sie wieder Richtung Süden schiebt, wie die Positionsbestimmung von Nansen zeigen.
Aber: Nie zuvor war ein Mensch bis zu dem Zeitpunkt näher am Nordpol. Nansen und Johansen brechen ihr Vorhaben ab. Zur Fram allerdings können sie zurück. Das Schiff ist im Packeis durch die Eisdrift längst außer Reichweite. Niemand weiß, dass die beiden Polarforscher überhaupt noch leben.
Nansen und Johansen sind acht Monate allein im provisorischen Winterlager
Nach einem entbehrungsreichen Fußmarsch durch das Packeis, der Weiterfahrt in ihren Kajaks auf dem Meer, acht Monaten in einem provisorischen Winterlager in der Arktis und der Hilfe einer englischen Arktisexpedition erreichen Fridtjof Nansen und Fredrik Johansen schließlich am 21. August 1896 die norwegische Hafenstadt Tromsø. Das Timing mutet erstaunlich an: Die Fram war erst eine Woche zuvor unversehrt von ihrem fast dreijährigen Aufenthalt aus dem Packeis zurückgekehrt.
Fridtjof Nansen fährt nie wieder ins arktische Packeis. Er lehrt als Professor für Zoologie in Christiana, schreibt mehrere Bücher über seine Reisen, bekommt unzählige Auszeichnungen und kann auf mehrere eigene Entwicklungen zurückblicken. So gilt Fridtjof Nansen als geistiger Vater
- des Nansenschlittens
- eines Outdoor-Kochers
- des mehrlagigen „Zwiebellooks“ statt dicker Wollkleidung
- der modernen Neurologie
- der Ozeanographie
Fram-Expedition zeigt Arktis als tiefen Ozean mit Eismasse
Die Polarforschung von Fridtjof Nansen bringt neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit Grönlands, Gletscherstrukturen, die Wetterbildung, die Struktur der Arktis sowie des Packeises und über den arktischen Ozean. Dank seiner Fram-Expedition wird zum ersten Mal bewiesen, dass die Arktis keine Landmasse besitzt und auch kein flaches Meer ist. Die Lot-Messungen erreichen Tiefen von bis zu 3475 Meter – ohne den Grund zu berühren.
Auch wenn Fridtjof Nansen in seinem Heimatland Norwegen keine direktes politisches Amt bekleidet, setzt er sich ab 1905 für ein Ende der schwedisch-norwegischen Personalunion von 1814 ein – und damit für die Selbstständigkeit Norwegens. Tatsächlich hatte sein Großvater Hans Leierdahl Nansen sich 91 Jahre zuvor noch für den Staatenbund eingesetzt.
Fotogalerie: Faszination Arktis (11798)
Fridtjof Nansen verhindert Hungersnot in Norwegen
Nansen wird norwegischer Botschafter in London, handelt von 1906 bis 1907 die vertragliche Souveränität Norwegens mit den Interessensvertretern anderer europäischer Länder aus. Als Sonderbotschafter verhindert er im 1. Weltkrieg eine Hungersnot in Norwegen und sorgt dafür, dass Norwegen im neu gegründeten Völkerbund vollwertiges Mitglied wird.
Nansen-Pass bringt Hundertausende in ihre Heimat zurück
Außerdem setzt sich Fridtjof Nansen persönlich für die Heimkehr von Kriegsflüchtlingen und Kriegsgefangenen ein. Er etabliert international den „Nansen-Pass“ als anerkannten Reisepass für die Betroffenen. Bis 1922 können auf diese Art fast 430.000 Menschen aus 30 Ländern in ihre Heimat zurückkehren.
Er wird zum ersten Hochkommissar für Flüchtlingsfragen des Völkerbundes ernannt und engagiert sich unter anderem für die Wiederansiedlung von zwei Millionen Geflüchteten als Opfer der Russischen Revolution. Im Jahr 1922 wird Fridtjof Nansen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
1930 stirbt Fridjof Nansen an einem Herzinfarkt
Der Mann, der als erster Mensch das grönländische Inlandeis zu Fuß durchquerte, stirbt mit 69 Jahren am 13. Mai 1930 an einem Herzinfarkt – in seinem Liegestuhl auf der Terrasse seines Hauses im heutigen Oslo. Selbst nach seinem Tod wirkt der Geist von Fridtjof Nansen weiter. Ein Mondkrater ist nach ihm benannt und sogar ein Meteor.
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Am Nachhaltigsten aber ist wohl die seit 1954 jährlich vergebene Auszeichnung der Vereinten Nationen für Menschen, die sich für den Schutz von Geflüchteten engagieren: der Nansen-Flüchtlingspreis. Fridtjof Nansens Motto seines aktiven und bewegten Lebens steht dafür: „Beeilt Euch zu handeln, ehe es zu spät ist, zu bereuen.“
Nachrichtenquelle: geo.de
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