Brasilien: Amazonas-Regenwald stößt inzwischen mehr CO2 aus, als er bindet

Die grüne Lunge der Welt, der Amazonas-Regenwald in Brasilien, stößt mehr CO2 aus, als er bindet. Der Grund ist der Klimawandel selbst, aber auch die umweltfeindliche Politik von Präsident Jair Bolsonaro

„Die Effekte des Klimawandels, aber auch die Abholzung durch den Menschen bedrohen den Regenwald und seine unverzichtbare Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern.“ Die Botschaft, mit der die Forscherinnen und Forscher vom französischen nationalen Institut für Agronomieforschung an die Öffentlichkeit gingen, ist alarmierend – klingt aber eher nach einem jahrzehntealten Mantra der Klima- und Naturschützer als nach bahnbrechenden, neuen Erkenntnissen. Schon lange ist der Weltöffentlichkeit klar, dass der Amazonas-Regenwald, die „grüne Lunge“ unseres Planeten, intakt bleiben muss – bindet er doch große Mengen an CO2, wirkte als Gegenspieler zu den immerzu steigenden CO2-Emissionen weltweit.

Doch die Ergebnisse, die die Wissenschaftler in ihrer Ende April erschienen Studie veröffentlichten, gehen weit über solche Warnungen hinaus – sie beschreiben einen historischen Kipppunkt. Der brasilianische Teil des Amazonasgebiets hat zwischen 2010 und 2019 rund 18 Prozent mehr CO2 ausgestoßen als im selben Gebiet vom Regenwald gespeichert wurde. Das Amazonas-Becken gab demnach rund 16,6 Milliarden Tonnen CO2 in die Umwelt ab, nahm aber nur rund 13,9 Tonnen auf. Die Wissenschaftler berufen sich in ihrer Studie hauptsächlich auf Satellitendaten, die die pflanzliche Biomasse im Regenwald sowie seine Abholzung dokumentieren.

Von der Regierung geduldet: Illegale Rodungen zerstören die grüne Lunge

Eine Umkehr dieser Entwicklung ist kaum zu erwarten. Während vor 2019 im Schnitt rund eine Millionen Hektar Regenwald abgeholzt oder gerodet wurden, waren es 2019 rund 3,9 Millionen Hektar. Das entspricht ungefähr der Fläche der Niederlande und passt zu den Berichten des brasilianischen Klimainstituts Inpe, wonach die Zahl der Brandherde mit 6668 im August 2019 den höchsten Wert seit der Jahrtausendwende erreicht hat.

Der rasante Anstieg der Rodungen ist kein Zufall, sondern politisch gewollt. Umwelt- und Klimaschützer geben die Schuld vor allem dem rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der das Land seit Januar 2019 regiert. Sie werfen ihm vor, illegale Brandrodungen zu dulden oder gar zu schützen. Bereits in seinem Wahlkampf hatte Bolsonaro dafür geworben, das brasilianische Amazonasgebiet wirtschaftlich stärker zu erschließen. Umweltschutzorganisation bezeichnete er als „Krebs“, den man töten müsse. „Ihr wisst, dass die NGOs mir nichts zu sagen haben“, verkündete er während einer Facebook-Übertragung im September vergangenen Jahres.

Dabei sind nicht nur die dauerhaften und vollständigen Entwaldungen ganzer Gebiete eine Gefahr für das Klima. Den Effekt der Waldegradation, also der Verminderung von Dichte und Artenvielfalt im Regenwald, schätzt das französische Forscherteam sogar als weitaus größer ein. Großflächige Brände ziehen oft eine solche Degradation nach sich.

All diese menschengemachten Veränderungen haben aus der grünen Lunge der Welt einen Netto-CO2-Emittenten geformt. „Wir wissen nicht, ab welchem Punkt diese Veränderung irreversibel sein könnte“, sagte Co-Autor Jean-Pierre Wigneron der Nachrichtenagentur AFP.

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Seine Studie ist nicht die einzige, die den historischen Kipppunkt des brasilianischen Regenwalds beschreibt. Eine Anfang März im Fachmagazin Frontiers in Forest and Global Change veröffentlichte Analyse untersucht, welche ganzheitlichen Auswirkungen die Waldzerstörung im Amazonas auf das Klima der Erde haben könnte. Zum Beispiel ändern fehlende Wälder die Niederschlagsmuster, was den verbleibenden Regenwald weiter austrocknen lässt. Wenn Böden sich verdichten und Feuchtgebiete austrocknen, wird Distickstoffmonoxid freigesetzt. Auch die Rußpartikel der Brandrodungen selbst tragen zur Erderwärmung bei: Sie absorbieren Sonnenlicht.

All diese kleinteiligen Prozesse zu einem einheitlichen Bild zusammenzufügen, ist schwierig. Jedoch schätzen die Autoren  und Autorinnen der Studie, dass die atmosphärische Erwärmung aus den von ihr untersuchten Quellen bereits den natürlichen Kühleffekt des Regenwaldes übertreffen.

Bolsonaro kürz erneut das Budget für den Umweltschutz

Ende April dieses Jahres, auf dem viel beachteten, internationalen Klimagipfel gelobte Jair Bolsonaro Besserung: Seine Regierung wolle die Ausgaben für den Umweltschutz verdoppeln und die illegale Abholzung im Amazonas bis 2030 beenden.

Einen Tag später unterzeichnete er den brasilianischen Bundeshaushalt für 2021 und kürzte das Budget für das Umweltministerium erneut – um satte 24 Prozent.

Damit drohe nach jahrelangen Einsparungen eine „komplette Lähmung“ der Umweltbehörden, warnte der Vorsitzende der Umweltkommission im Kongress, Rodrigo Agostinho.

Nachrichtenquelle: geo.de

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