Mecklenburg-Vorpommern: Kreidefelsen und Küstenwälder: Die grünen Schätze der Ostsee

Vor rund 30 Jahren wurden ursprüngliche Naturlandschaften an Mecklenburg-Vorpommerns Küste unter Schutz gestellt. Seitdem zeigt sich dort, wie der Spagat zwischen Naturschutz und Tourismus gelingt.

Zuerst sind es nur ein paar schwarze Punkte in der Dunkelheit. Doch ihr Geschrei lässt erahnen, dass es viele sind.

Im Morgengrauen erheben sich Hunderte Kraniche in die Luft und gleiten unter schrillem Trompetengeschrei über die Köpfe der Besucher hinweg. Nachdem im September und Oktober 50.000 bis 70.000 der Tiere von Skandinavien nach Südeuropa geflogen sind, kehren sie im März und April zurück. Und rasten zwischen der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und der Insel Rügen.

Fast nirgendwo sonst in Mitteleuropa sieht man die Zugvögel so zahlreich wie im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns, wo die Küste aussieht wie ein Flickenteppich aus Meer und Land.

Zwischen Naturerlebnis und Naturschutz

Die Kraniche sind die Hauptdarsteller. Doch auch Rotwild und Wildschweine, Seeadler und Gänse, Höckerschwäne und Reiher betreten in dieser Region die Bühne. Im Bodden, auf den Schilfinseln, im Watt und in den Dünen finden sie Nahrung, Schutz und Ruhe.

Kraniche am Himmel
Show der Zugvögel: Im Herbst und im Frühjahr lassen sich im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns Tausende Kraniche beobachten
© Sabine Schmidt – Shutterstock

Dieser Teil der Halbinsel ist Kerngebiet des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Der Großteil des drittgrößten deutschen Nationalparks ist über Wanderpfade und Fahrradwege gut erschlossen. In den Sperrzonen dagegen bleiben Tiere und Natur vom Menschen unbehelligt. Dort können etwa Küstenseeschwalben und Sandregenpfeifer brüten – und Robben ruhen.

Die Wende als Chance

Auch im Nationalpark Jasmund auf Rügen muss die Natur vor jährlich gut 1,5 Millionen Inselbesuchern geschützt werden. An den Hängen des Kliffs brüten Wanderfalken und Mehlschwalben. Hinter der Küste liegen mehr als 100 Moore, Bäche und Quellen, wo seltene Pflanzen wie Frauenschuh, Riesenschachtelhalm und Zwiebelzahnwurz sprießen. Dazu ein Idyll, das einst ganz Europa überzog, heute jedoch sehr selten geworden ist: der größte zusammenhängende Buchenwald der Ostseeküste.

Hans Dieter Knapp hat damals maßgeblich dazu beigetragen, dass der Wald nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt wird und Menschen das Gebiet nur noch auf ausgewiesenen Wegen besuchen dürfen. „Mit der Wende gab es die einmalige Chance, Naturschutz im neuen Licht zu sehen“, erinnert sich der Geobotaniker und Landschaftsökologe.

Zu DDR-Zeiten gab es im Osten Deutschlands noch keine Nationalparks, obwohl kleinere Gebiete sehr wohl schon unter Schutz gestellt wurden. In einer Hauruckaktion gelang es Knapp und seinen Mitstreitern, die Forderung nach mehr Schutz im Einigungsvertrag zu verankern. Wenige Tage vor der Vereinigung wurden sechs Biosphärenreservate, fünf Nationalparks und drei Naturparks nach DDR-Recht gesichert.

Fahrradfahrer im Wald nahe des Darßer Weststrands
Ein Fahrradweg führt unweit des Darßer Weststrands durch den Wald
© Alexandra Frank/dpa-tmn

Dazu gehörte auch das Unesco-Biosphärenreservat Südost-Rügen, eine eiszeitlich geprägte Kulturlandschaft mit Halbinseln, Nehrungen und Endmoränen. Von Frühjahr bis Herbst ziert blühender Trockenrasen die hügelige Landschaft, Schilfgürtel und Salzwiesen säumen die Küste.

Ein fabelhafter alter Wald

Urlauber können die alte Kulturlandschaft gut mit dem Fahrrad entdecken. Zwischen Dörfern mit mittelalterlichen Kirchen und Ostseebädern finden sich Großsteingräber aus der Jungsteinzeit, bronzezeitliche Hügelgräber und Schutzgebiete.

Darunter ist eines der ältesten Naturschutzgebiete an der deutschen Küste, die Insel Vilm im Greifswalder Bodden. „Maximal 9000 Besucher im Jahr haben hier Zutritt“, sagt Andreas Kuhfuß von der Reederei Lenz, der Naturinteressierte auf dem Eiland herumführt. Hier wachsen Jahrhunderte alte Rot- und Hainbuchen, bizarr geformte Stieleichen, Bergahorn und mehr als 300 Arten Farn- und Blütenpflanzen.

Abendstimmung auf der Insel Vilm
Abendstimmung auf Vilm – die Insel im Greifswalder Bodden darf von maximal 9000 Gästen jährlich besucht werden
© Alexandra Frank/dpa-tmn

Dass die Vegetation geschützt gedeihen konnten, hat die Insel Vilm ihrer Historie zu verdanken. Zu DDR-Zeiten wurde sie als Urlaubsdomizil für den Ministerrat der DDR genutzt. Für den Rest der Bevölkerung war sie lange Zeit nicht zugänglich.

Wer mit Kuhfuß durch den urtümlichen Wald wandert und den Blick durch den Schilfgürtel über den Bodden schweifen lässt, versteht die Worte des ehemaligen Bundesumweltministers Klaus Töpfer. Der hatte die Schutzgebiete im Nordosten Deutschlands bereits damals als „Tafelsilber der deutschen Einheit“ bezeichnet.

Nachrichtenquelle: geo.de

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