Kenia: Steigende Pegelstände: Tierschützer evakuieren Giraffen von einer Insel

In Kenia steigen vielerorts die Wasserpegel, in einigen Regionen haben sie schon die Einwohner vertrieben. Nun bedroht der steigende Wasserspiegel des Baringo-Sees auch die Existenz der seltenen Giraffen auf der kenianischen Binnenseeinsel Longicharo. Die Tiere müssen umziehen

Während lange Zeit die größte Sorge der Menschen in der Umgebung des Baringo-Sees war, dass dieser schrumpfen und sie damit nicht mehr mit genügend Wasser versorgen könnte, so ist heute das genaue Gegenteil der Fall. Inzwischen fürchten die Anwohner nichts mehr, als dass sich der Binnensee im Westen Kenias weiter ausbreitet.

In den letzten sieben Jahren hat sich der Süßwassersee um mehr als die Hälfte vergrößert. Besonders stark stieg der Wasserpegel im Jahr 2020. Zentimeter um Zentimeter steigt das Wasser, immer öfter tritt der See über die Ufer und verändert so die Uferlinie Tag für Tag.

Ganze Dörfer wurden bereits vom Hochwasser überschwemmt, teilweise ragen nur noch die Spitzen der Dächer ein paar Zentimeter hoch aus dem Wasser. Auch Schulen, Krankenhäuser, Hotels, sogar Kirchen hat der See in den vergangenen Monaten bereits geflutet. Allein im Jahr 2020 haben hier 5000 Menschen ihr Zuhause verloren. An vielen Gebäuden hat bereits der Verfall eingesetzt.

Die Giraffen müssen die Insel Longicharo im Baringo-See verlassen

Doch nicht nur die Menschen leiden unter den Tag für Tag steigenden Pegelständen am Baringo-See. Auch den Tieren machen die Wassermassen zu schaffen. Auf der dortigen Binnensee-Insel Longicharo lebten bis vor Kurzem noch seltene Rothschild-Giraffen. Doch als das Hochwasser kam, wurde Longicharo zum lebensgefährlichen Gefängnis.

Kenianische Tierschützer haben deshalb in einer großen Rettungsaktion die Tiere von der Insel befreit, die im Baringo-See zu versinken droht. Seit Anfang Dezember wurde auf einer eigens gebauten Barke eine Giraffe nach der nächsten in ein rund 18 Quadratkilometer großes Reservat auf dem Festland gebracht.

Geflutetes Gebäude am Baringo-See
Die Wassermassen am kenianischen Baringo-See haben auch ein dortiges Krankenhaus geflutet
© IMAGO / Hans Lucas

Die letzten beiden Rothschild-Giraffen, „NKarikoni“ und ihr Kälbchen „Noella“ setzten am Freitag auf das Festland über, gab der Northern Rangelands Trust (NRT) am Montag bekannt. In dem neuen Reservat der Ruko Community Conservancy sollen sich die Tiere der seltenen Unterart nun ansiedeln und vermehren, wie die Tierschützer mitteilten.

Geologische Veränderungen und vermehrte Abholzung sorgen für steigende Pegelstände in Kenia

Derzeit diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über den Grund für den Anstieg der Wasserspiegel im Baringo-See sowie in anderen Seen im ostafrikanischen Grabenbruch. Denn noch weitere Gewässer in der Region, zum Beispiel der nahe Bogoriasee, sind ähnlich stark von steigenden Wasserständen betroffen.

Derzeit werden vor allem zwei Faktoren genannt, die für die Überflutungen der Binnengewässer verantwortlich gemacht werden. Zum einen führt die zunehmende Abholzung der kenianischen Wälder zu mehr Sedimenten in den Seen, die sich am Boden ablagern und dadurch die Binnengewässer von unten anheben – die Pegel steigen.

Die Abholzung großer Teile der kenianischen Wälder ist eine Folge des Bevölkerungswachstums in Ostafrika. Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln steigt, deren Produktion benötigt immer größere Flächen. Auch für neues Bauland mussten weite Waldflächen zuletzt Platz machen.

Werden die Bäume gefällt, kann Regen über die Wurzeln nicht mehr in tiefere Erdschichten gelangen. Außerdem können die Bäume nicht mehr verhindern, dass der Boden vom Niederschlag weggespült wird. Es kommt zur Bodenerosion. So gelangt mehr Wasser in die Flüsse, die wiederum Schlamm und Wasser in die Binnengewässer spülen.

In Kenia transportieren Helfer eine Rothschildgiraffe mit dem Lastkahn, um sie von der Insel Longicharo zum Schutzgebiet auf dem Festland zu bringen
In Kenia transportieren Helfer eine Rothschildgiraffe mit dem Lastkahn, um sie von der Insel Longicharo zum Schutzgebiet auf dem Festland zu bringen
© -/Northern Rangelands Trust/AP/dpa

Zum anderen werden geologische Veränderungen tief im Erdboden als Grund für steigende Pegelstände genannt. Im ostafrikanischen Grabenbruch bewegen sich gleich drei tektonische Erdplatten – die arabische, die afrikanische und die somalische Platte – voneinander weg.

Durch diesen Prozess wird in tieferen Erdschichten befindliches Wasser weiter nach oben gedrückt und läuft von unten in die Seen. Dieser natürliche Prozess verschärft gemeinsam mit der Umweltzerstörung die Lage in Kenia.

Ob sich das Gleichgewicht wieder herstellen lässt und damit die Pegelstände wieder sinken, ist ungewiss. Was die wachsenden Seen in Kenia auf lange Sicht bedeuten, werden erst die nächsten Jahre zeigen.

Nachrichtenquelle: geo.de

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