Impfstopp: AstraZeneca-Geimpfte unter 60: "Ich muss meinen Ängsten mit Logik entgegentreten"

Für Menschen unter 60 Jahren gilt ein Impfstopp für das Mittel von AstraZeneca. Eine Betroffene schildert, was sie darüber denkt und wie sie sich fühlt.

Seit einer Woche wird der Impfstoff des Herstellers AstraZeneca wegen aufgetretenen Blutgerinnseln im Hirn in Deutschland nicht mehr für unter 60-Jährige empfohlen. Knapp 3,2 Millionen Menschen in Deutschland haben bereits eine Erstimpfung mit dem Vakzin von AstraZeneca erhalten – darunter auch etliche Menschen unter 60 Jahren.

Erst rund 2.200 der Geimpften haben nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (Stand 7. April) bereits die zweite Spritze bekommen. Menschen unter 60 Jahren sollen für die Zweitimpfung ein anderes Präparat bekommen, empfiehlt nun die Ständige Impfkommission   (Stiko). Nach ärztlicher Absprache soll auch eine zweite Dosis mit dem Impfstoff von AstraZeneca möglich sein. Doch wie fühlt es sich an, ein Mittel gespritzt bekommen zu haben, dass für die eigene Altersgruppe nicht mehr empfohlen wird? Wie groß ist die Sorge, selbst eine Hirnvenenthrombose zu bekommen? Die 48-jährige Susanne Kaiser aus Marburg in Hessen schildert ihr persönliches Impferlebnis.

Suanne Kaiser
Bildungsreferentin Susanne Kaiser
© Susanne Kaiser

Eigentlich wollte die Bildungsreferentin Susanne Kaiser mit dem Impfen warten. Zeit vergehen lassen, um sicher zu sein, dass die Mittel bei ihr keine negativen Folgen haben. Berichte über allergische Schocks nach Impfungen – vor allem zu dem Mittel von AstraZeneca –hatten die Allergikerin und Asthmatikerin stark verunsichert. Die langwierige Covid-19-Infektion ihrer Cousine ließ sie umdenken. Sie registrierte sich für einen Impftermin als sie erfuhr, dass Lungenkranke in Gruppe 2 sind. Die Zusage für einen Termin mit dem Impfstoff von AstraZeneca kam nach ein paar Tagen. „Ich hatte große Angst vor dem Termin und Panik, einen allergischen Schock von dem Mittel zu bekommen.“ Sie rief bei ihrem Hausarzt an, um zu fragen, ob sie den Termin im Impfzentrum annehmen solle. Die Nachricht, dass alle in der Praxis mit dem Vakzin von AstraZeneca geimpft worden sind und es gut vertragen haben, bestärkte sie. Am 5. März bekam sie ihre erste Impfung mit dem Mittel von AstraZeneca.

Vorübergehender Impfstopp im März

Nur zehn Tage später, am 15. März, setzte die Bundesregierung die Impfung mit dem Mittel aus, weil ein Zusammenhang zwischen Hirnvenenthrombosen, also Blutgerinnseln im Hirn, und der Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca bestehen könnte. Nach dem Aussetzen wandte sich das zuständige Impfzentrum via Mail an alle mit AstraZeneca-Geimpften, berichtet Susanne Kaiser. Das Schreiben hat über Symptome einer Hirnvenenthrombose wie starke Kopfschmerzen oder neurologische Ausfälle aufgeklärt und dass diese nur innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung auftreten würden. „Ich hatte deshalb keine Angst, dass diese Nebenwirkung bei mir auftreten könnten – schließlich waren die zwei Wochen schon fast um. Mir schoss eher durch den Kopf, dass ich meine zweite Impfung will und ich habe mich gefragt: ‚Was soll denn das jetzt?‘.“ Sie wartete ab.

Am 30. März erklärte der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass das Mittel von AstraZeneca nach Empfehlung der Stiko nur noch über 60-Jährige bekommen sollen. In Deutschland wurden dem Paul-Ehrlich-Institut (Stand 29. März) 31 Fälle von Sinusvenenthrombosen gemeldet. 29 davon betrafen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Neun Menschen starben. „Durch die Informationen bin ich natürlich verunsichert und vor meinem zweiten Impftermin werde ich sicherlich schlecht schlafen und Angst haben.“ Ohne diesen ganzen Skandal um den Impfstoff hätte sie vor ihrem zweiten Termin am 7. Mai gar keine Sorgen gehabt – die erste Dosis habe sie gut vertragen und die Impfreaktionen sollen nach der zweiten Spritze geringer ausfallen.

Widersprüchliche Informationen verärgern Susanne Kaiser

Am 1. April empfahl die Stiko, dass unter 60-Jährige bei ihrer zweiten Impfung das Mittel von Biontech oder Moderna bekommen sollen, statt ein zweites Mal das Vakzin von AstraZeneca. Susanne Kaiser verunsichert auch diese Information: „Jetzt wird einfach ein anderer Impfstoff als zweite Dosis genommen, aber keiner weiß, was das für Folgen hat – auch für den Impfschutz. Ich glaube nach heutigem Stand, dass ich lieber die zweite Dosis mit dem Mittel von AstraZeneca nehmen würde. Außer der Arzt im Impfzentrum rät mir dringend davon ab.“

Das Hin- und Her und die Flut an immer wieder neuen, teils widersprüchlichen Informationen mache sie verrückt, sagt Susanne Kaiser. „Der ganze Skandal um AstraZeneca führt dazu, dass ich nicht mehr genau weiß, was ich ernst nehmen kann.“ Besonders verärgert hat sie, dass sich sogar Fachleute widersprechen. Erst bestätigte ein Verantwortlicher der Europäischen Arzneimittelbehörde (Ema) einen Zusammenhang zwischen den Blutgerinnseln im Hirn und der Impfung mit AstraZeneca. Wenige Stunden später hieß es von der Behörde, dass noch kein Zusammenhang bestätigt werden könne. Mittlerweile empfiehlt die Ema die Verwendung des Vakzins erneut ohne Einschränkungen. Der Nutzen des Mittels sei höher als das Risiko.

„Ich habe das Gefühl, dass sehr willkürlich gehandelt wird und fühle mich für dumm verkauft. Mir wäre es lieber, wenn der Zusammenhang zwischen Hirnvenenthrombosen und dem Mittel von AstraZeneca in Ruhe – bis zum Beginn der Zweitimpfungen – untersucht würde und wir dann ein eindeutiges Ergebnis haben“, sagt Susanne Kaiser. Sie möchte ihre zweite Impfung aber immer noch – die Gefahr an Covid-19 erkranken, die Gefahr, dass sie auf dem Weg ins Impfzentrum einen Autounfall habe, sei größer als ein eine Hirnvenenthrombose durch die Impfung. „Ich muss meinen Ängsten mit Logik entgegentreten, dann kann ich sie auch herunterschrauben. Und wie es momentan aussieht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Blutgerinnsel im Hirn bei mir nach der zweiten Dosis mit AstraZeneca auftreten würde, sehr gering.“ Ihr Plan: Bis Ende April warten und erst dann endgültig entscheiden.

Nachrichtenquelle: geo.de

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